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Papiermacherwappen


Dieser Artikel ist aus dem Buch
»Wir machen die Sachen
die nimmer vergehen«
S.76 von Alfred Schulte, dem
ersten Leiter der
Forschungsstelle für
Papiergeschichte.
Bearbeitet von Frau Toni Schulte.
Erschienen 1955 im
Industrie-Verlag Wiesbaden.


 Schulte
  Alfred Schulte   1900 - 1944

Der Stammtisch der Papiermacher zu Moisburg bei Buxtehude

"Ob denn die Teutschen so versoffene Leuthe sein?" ist eine Frage, die im Jahre 1704 ein gelehrter Mann in einem dicken Wälzer behandelte, den ich im Altpapier fand. Nach Zitierung aller einschlägigen Schriftsteller vom alten Tacitus an kommt er zu dem erfreulichen Ergebnis, daß die Teutschen doch nicht mehr trinken als die anderen Völker. Wir wollen es gern glauben. Böse Leute behaupten, auch die Papiermacher hätten einen besonders starken Flüssigkeitsbedarf, aber damit ist zweifellos nur das Fabrikationswasser gemeint. (?) -
Jedenfalls aber wissen wir, daß auch in der alten Zeit die Papiermacher ihren Stammtisch hatten, ihn fleißig besuchten und dort eifrig fachsimpelten. Das Bild hier zeigt den alten schönen "Heidkrug" zu Moisburg bei Buxtehude, der einst Stammlokal der längst verschwundenen drei Papiermühlen Moisburg, Staersbeck und Appelbeck gewesen ist. Als ich 1933 die Stätten aufsuchte, waren auch die letzten Handpapiermacher längst verstorben und nur von Nachkommen und Verwandten war noch zu erfragen, daß hier einst die Papiermacher zusammenkamen und Feste feierten.
Heidkrug in Moisburg Im Jahre 1665 erhielt der Heidkrug seine Schankkonzession, aber seit wann die Papierer hier ihre Becher lupften, ist nicht feststellbar; ebenso ist das Alter des Fachwerkhauses mit seinem traulichen Strohdach unbekannt. Töchter des Heidkrügers heirateten 1769 und 1776 Gesellen der nahen Staersbecker Papiermühle; 1827 heiratete der Krüger Johann Diedrich Weseloh eine Tochter des Meisters Gestefeld in der Moisburger Papiermühle. Wenn der Stammtisch nicht vorher schon bestand, so mag er auf diese Zeit verwandtschaftlicher Bindung zurückgehen. Vorher werden die Papiermacher den Amtskrug besucht haben, der im 16. Jahrhundert schon vor den Papiermühlen bestand und heute noch neben dem Platz der früheren Papiermühle besteht.
Es war nicht mehr zu erfragen, welchen Tisch! die Papiermacher gewählt hatten, wann und wie oft sie zusammenkamen, welche Tischbräuche sie pflegten und ob, wie in Süddeutschland, über dem Tisch eine Schöpfform aufgehängt war. Die einzige greifbare Erinnerung fand sich in Moisburg bei Schreiner Delvendahl, dessen Mutter eine Weseloh aus dem Heidkrug war (geboren 1829). Es ist eine Dose aus Birkenrinde von etwa 11 cm Durchmesser, in der seine Frau Knöpfe aufbewahrte; einst stand sie im Heidkrug auf dem Tisch und enthielt Shag, Pfeifentabak, den der Wirt seinen Gästen kostenlos bot und der nach Seemannsgewohnheit auch gekaut wurde.
Die Dose war früher höher und von der Inschrift ist nur noch der untere Teil vorhanden:

Papier Macher Geselle
im Heidkrug
gewidmet von F. Schwind.
Über diesen Schwind ist sonst nichts bekannt; er war wohl ein zugewanderter Geselle. Die Dose hat Dr. Meyne für das Heimatmuseum Moisburg erhalten als einzige Erinnerung an den Papiermacherstammtisch.
Außer den regelmäßigen Stammtischabenden wird im Heidkrug der "Einstand" gefeiert worden sein, wobei der neu zugewanderte Geselle freigehalten wurde. Dort wurde nach altem Herkommen auch feierlich die Bruderschaft geschlossen, natürlich auch unter Vertilgung entsprechender Mengen Alkoholika.
Das Kartenspiel wurde gepflegt und es wird erzählt vom verbotenen "Drei Thaler - drei Karten", wobei nur die reichsten Bauern mit den zahlungskräftigen Papiermachern mithalten konnten. Auf dem geräumigen Boden des Hauses wurde fleißig getanzt.
Für die Papiermacher von Altkloster bei Buxtehude war der Weg zum Heidkrug in Moisburg zu weit. Ihr Stammtisch war, wie mir Herr O. Küdt mitteilte, in der längst eingegangenen Wirtschaft Beckstein bzw. auf der Lüneburger Schanze. Später, als in Altkloster Papiermaschinen liefen und die Handpapiermacherei aufgehört hatte, kamen die leitenden Herren Dienstags und Freitags von 6 bis 8 unter Vorsitz von Direktor Ferdinand Küdt im Klosterhof zusammen. Wie an manchen anderen Stammtischen der Waterkante war hier greifbar ein kleines Glöckchen aufgehängt mit der Inschrift "He lügt!". Es wurde von Ferdinand Küdt geläutet, wenn bei den Erzählungen der Papiermacher die Balken sich allzu sehr bogen; das kostete 10 Pfennig in die "Konfirmandenkasse", deren Gelder den Kindern der Werksarbeiter zugute kamen. Das Glöckchen wurde in den 1890er Jahren von Peter Engelke, dem Stiefsohn des Wirts, aus Blech zusammengenietet und beschriftet; es befindet sich jetzt in den Sammlungen der Forschungsstelle Papiergeschichte.¹)  
Den Komment am Papiermacherstammtisch der Altenburger haben wir gedruckt vorliegen, aber von den alten Handpapiermachern hat es keiner für nötig gehalten, uns die alten Stammtischbräuche aufzuschreiben. So ist es nur noch wenig, das ich von letzten Teilnehmern und aus Überlieferungen erfragen und sammeln konnte.
¹) Anm.: Das Glöckchen wurde in den ersten Nachkriegsmonaten von amerikanischen Soldaten nach USA entführt.
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Abraham Santa Clara, der Augustinermönch des siebzehnten Jahrhunderts,
der das Papier so häufig in seinen Werken erwähnt, berichtet:


"Die Papyrer haben allezeit ihr Werkstatt bey dem Wasser, sie aber
seynd keine sonderbare Liebhaber dieses Elements, denn ihnen ist
Charta Bibula weit angenehmer beim Wein und Bier.
Mit Fetzen und Lumpen gehen sie zwar um, ob aber auch unter ihnen
einige schlimme Lumpen-Hunde anzutreffen, will ich diesfalls keinen
Anspruch thun. Gut wäre es, wenn sie alle auf die Weiße des Gewissens
so genau thäten gehen, wie auf die Weiße des Papiers, aber zuweilen
seynd die Leuth beschaffen wie die Bücher, deren selten eines ohne Esels-Ohr."   

Charta Bibula = Löschpapier