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Papiermacherwappen


    Dieser Artikel ist aus:
»Das Buch vom Papier«
  von Armin Renker  1941





  






„Dass die löbliche
Papiermacher-Kunst in die
Klasse der nötigen
und nützlichen Künste
mit zu zählen, wird
weiter keines Beweises
gebrauchen, ja es scheinet,
als ob sie vor vielen anderen
den Vorzug verdiene,
weil ohne die Selbe
alle anderen Künste nicht
würden so hoch gestiegen
sein."
Beyer 1735

  Die Papiermacher

Wir machen die Sachen, die nimmer vergehen,
Aus Tücher die Bücher, die immer bestehen,
Wir schikken zu drükken den Drukkern von hier,
Die geben das Leben dem toten Papier,
Dort stampfen die Stampfen die Hadern und Lumpen,
Dort strudeln und wudeln die plumpenden Pumpen,
Dort presset, dort lässet man leimen Papier,
Dort schälet und zählet und gibt man`s herfür.
Michael Kongehl, Königsberg i. Pr. 1685

Handwerker besonderer Art sind die "Papyrer" stets gewesen. Von weither und durch lange Zeiträume hindurch haben sie sich ihren Weg gebahnt, aus dem fernen China über Turkestan, durch Persien und Ägypten nach Europa und von Italien und Spanien in weiteren Jahrhundertern in unsere nordischen Länder. Manches ging verloren auf dem weiten Weg durch die Jahrhunderte, vieles wurde hinzugelernt, die Elemente aber, der "Grundstock", sind unversehrt auf uns gekommen.
Von wem ging er aus, der Gedanke, Gewebe in Beschreibstoffe umzuwandeln? J.S. Halle in seiner "Werkstätte der heutigen Künste" (1762) kommt den Vorgängen, die in den folgenden Abschnitten zu entwickeln sind, erstaunlich nah, wenn er schreibt: "Es ist wahrscheinlich, daß man in Ostindien so glücklich gewesen ist, aus der zu Breie aufgelösten Baumwolle eine Art von dünnen Schreibefilze zu machen. Diese Entdeckung fiel den Europäern nach und nach in die Hände, sie bedienten sich des Kattunpapiers, als eine Art von Pappdeckeln, zum Schreiben. Sie versuchten es mit alten Lappen von Leinewand, welche man durch die Kraft der Stampfen in Brei verwandelte. Solchergestalt entstand das heutzutage gebräuchliche Papier, dessen Erfinder vor andern Erfindern die Ehre in der Tat verdiente, verewigt zu werden, wenn man seinen Namen und den Zufall wüßte, der ihn auf eine so schätzbare Entdeckung gebracht haben mag. Denn das ist wohl zuweit hergeholt, wenn man ihn entsetzlich böse werden, sein Hemde im Eifer in Sücke zerreißen, in der Zerstreung der Gedankene es zwischen den Zähnen zerkauen, und das Zerkaute an die Wand werfen, und daselbst zu Papier werden läßt. Oder haben die löschpapiernen gauen Wespennester, welche sie aus zermalmten Holzsplitterchen machen, zur Papiermühle Anlaß gegeben? Hat man etwa gefaulte Lumpen für merkwürdig genug angesehen, Experimente damit anzustellen? Ich vermute daß das mitternächtige Europa, welches an Flachse und Hanfe einen Überfluß hat, vielleicht den nächsten Anspruch an dieser Ehre machen kann"
Einsamkeit und Beharrlichkeit sind von jeher die Merkmale dieser wortkargen "Schöpfer", deren Aufgabe es war, vom frühen Morgen bis zum späten Abend an der Bütte zu stehen und Bogen auf Bogen dem nassen Element zu entringen. Abseits von aller Welt hauste der Papiermacher da, wo es die Notwendigkeit gebot, wo ein klarer Bach kleines Gefälle zeigte, das sich ohne allzu große Mühe ausbauen ließ, um ein Wasserrad zu treiben.
Abraham Santa Clara, der Augustinermönch des siebzehnten Jahrhunderts, der das Papier so häufig in seinen Werken erwähnt, berichtet: "Die Papyrer haben allezeit ihr Werkstatt bey dem Wasser, sie aber seynd keine sonderbare Liebhaber dieses Elements, denn ihnen ist `Charta Bibula` (Fließpapier) weit angenehmer beim Wein und Bier. Mit Fetzen und Lumpen gehen sie zwar um, ob aber auch unter ihnen einige schlimme Lumpen-Hunde anzutreffen, will ich diesfalls keinen Anspruch thun. Gut wäre es, wenn sie alle auf die Weiße des Gewissens so genau thäten gehen, wie auf die Weiße des Papiers, aber zuweilen seynd die Leuth beschaffen wie die Bücher, deren selten eines ohne Esels-Ohr."

Wirklich, ein Müller besonderer Art, dieser Papiermüller. Auch er hat es vom Wasser gelernt, das Wasser ist das A und O seiner Kunst, es muß das große Rad seiner Mühle treiben, es muß, und das ist noch viel wichtiger, klar sein und weich, so daß die Stoffteilchen sich fest und schön zueinander fügen, ineinander schmiegen zum glatten, durchsichtigen und klaren Bogen. Das Wasser ist also wirklich sein Lebenselexier. Will er ein gutes Papier schöpfen, so dürfen nicht zu viele Papiermühlen nah beieinander liegen, da sie in ihre Wasserhaltung einander stören und die obere Mühle der unteren gar zu gern das Betriebswasser vorenthält. Und doch, es gibt nicht gar so viele Wasserläufe, die solche papierfördernden Eigenschaften aufweisen; darum sehen wir schon im Mittelalter, wie sich die Papiermühlen, besonders in Sachsen, an bestimmten Fluß- und Bachläufen ansammeln, untermischt mit Getreide- und Ölmühlen, damit jede Wasserkraft ausgenutzt und erschöpft werde.
So ist denn der Papiermüller in die Einsamkeit der waldreichen Täler gekommen. Er beginnt dort zu bauen und zu werken, zieht sich einen Graben, dessen Wasser ihm das gewaltige Mühlrad treiben soll, das schon halb im Gefüge der Mühle drin steckt, baut mit Hilfe eines Mühlenbauers das Stampfwerk in die Welle des Rades ein, zimmert Bütten und Pressen zusammen und errichtet endlich über dem Gebäude mit viel Gebälk einen großen Speicher zum Trockenen der Bogen. Steil übereinander ragen Dach über Dach, Geschoß auf Geschoß. Diese großen Trockenböden mit ihren steilen Dachflächen und kleinen Fensterluken bilden das Merkmal aller alten Papiermühlen, auch heute noch, da die meisten von ihnen längst versunken sind oder anderen Zwecken dienen.
Bald kündet das laute Geräusch des Stampfwerks - ein eigentümliches Pochen und Klopfen, das mit dunklem Widerhall die hellen Vogelstimmen des Waldes übertönt -, daß die Mühle im Gange ist.
Von nah und fern kommen die Lumpensammler mit Säcken und Handkarren, um den erforderlichen Rohstoff zu liefern, und nach einiger Zeit wird dem Papiermüller von seiner Obrigkeit das Privileg zugestanden, den Einkauf der Hadern in der Umgebung seiner Mühle durch seine Gewährsmänner selbst vornehmen zu lassen, was umständlich verbrieft und besiegelt wird.
Die Büttgesellen aber stehen vom frühen Morgen bis in den späten Abend an ihren Bütten und schöpfen Bogen auf Bogen. Pauscht auf Pauscht wird gepresst, und endlich gelangt die dünne und empfindliche Ware auf den großen Trockenbogen, wo die Bogen über Stricke gehängt werden. Ein umständlicher Leimungsvorgang, nochmaliges Trocknen und Glätten beschließen die vielfältige Handarbeit am Bogen. Sobald eine Anzahl Ballen fertiggestellt und verpackt ist, zieht ein Wagen unter lautem Peitschenknall das mühsame Ergebnis mancher Arbeitstage über die zerfurchten und engen Waldwege in die benachbarte Stadt.
Ein kleiner Dialog in dem köstlichen "Kuriösen Spiegel" des E. Porzelius vom Ende des siebzehnten Jahrhunderts, in dem der Papiermacher in der Reihe der Handwerker zwischen dem Fleischer und dem Buchbinder abgebildet und geschildert ist, gibt uns einen Begriff von der Tätigkeit und Auffassung des alten Papiermachers:
Der die Pappier-Kunst rühmende Meister:
Seynd das nicht auserlesene Sachen,
Aus Lumpen das Pappier zu machen?
Pappier, darauf man schreibt und drücket,
Wird in die weite Welt verschicket.
Sind des Erfinders Kunst und Proben
Auch wohl zu der Genüg zu loben?
Der antwortende Gesell:
Der zugerichte Lumpenbrei
Wird in die Formen mancherley
Geschöpft, in Bögen ausgebreitet
Und in der Luft gar zubereitet.
Den Nutz, den schaffet das Pappier,
Ist sehr einrträglich Euch und mir.
So ist der Papiermacher einsam mit sich, einsam mit seiner Arbeit. Wohl ziehen die Gesellen von Mühle zu Mühle und bieten dem Meister ihre Arbeit mit dem schönen Gruß "Mit Gunst von wegen`s Handwerk" an, wohl ist dieser gehalten, ihnen, sofern er ein "ehrlicher" Meister ist, Unterkommen und Kost auf vierundzwanzig Stunden zu gewähren, wohl herschen feste und geregelte Sittten in den Gebräuchen des Handwerks, doch im Grunde ist der Papiermüller sich selbst überlassen. Er muß lange basteln und probieren, bis er alles in seiner Mühle ins rechte Geleise gebracht hat, bis ein jeder Arbeitsvorgang einwandfrei vor sich geht, bis er ein Papier zustande bringt, das sich seines Erzeugers nicht zu schämen braucht.
Darum hat auch ein jeder von diesen alten Papiermachern seine Besonderheiten, sie halten wie kaum ein anderer Berufszweig an den einmal überkommenen Bräuchen fest. Mußte doch jeder neu aufgenommene Geselle beim Lehrbraten eidlich geloben, "nichts Neues auf- und nichts Altes abkommen zulassen". De la Lande wendet sich Mitte des achtzehnten Jahrhunderts noch gegen diese Geheimnistuerei: "Wenn ihr die Absicht habt, denen Fremden von eurer Arbeit keinen Nutzen ziehen zu lassen, so werdet ihr sie auch zugleich euren besten Mitbürgern unbrauchbar machen, und der Nationaleigennutz, welcher euch bewegt, euren Nachbarn die Beihülfe eurer Künste zu beneiden, wird auch zugleich euch selbst die Vollkommenheit und den Fortgang darinnen entziehen."
So macht es denn ein jeder "Papyrer" auf seine Weise, ein jeder von ihnen hat seine Geheimnisse, seine Kniffe. Gründe für die Unterschiede in der Art und Güte des Erzeugnisses gibt es ja in Menge: schon das Wasser spielt eine gewaltige Rolle, ob es weich ist oder hart, es kann den Charakter eines Papieres völlig verändern, dann die Lumpen, welcher Art sie sind, ob stark abgetragen oder nicht, ob sauber oder unsauber, ob fest gewebt oder lose; endlich die Formen, auf denen geschöpft wurde, ob sie aus feinen oder gröberen Drähten zusammengesetzt waren. So entstehen die verschiedenartigsten Gebilde der Gattung Papier, ein jedes reizvoll in seiner Art. Ein jedes erzählt ein wenig von seinem "Schöpfer", und nehmen wir die Ursprungsmarken, die still und verborgen in der Fläche des Bogens ruhenden Wasserzeichen, hinzu, so können wir uns gut ein Bild seines Wesens machen.
Freilich, ein gewöhnlicher Müller, der nur das Korn zu Mehl mahlt, die Baumfrucht zu Öl, ein Handwerker von gröberen Schlage, ist der Papiermacher nicht, und das Wort, das Goethe in weiser Erkenntnis vom Handwerker geprägt hat, trifft nur zum Teil auf ihn zu: "Jeder Handwerker scheint mir der glücklichste Mensch. Was er zu tun hat, ist ausgesprochen; was er leisten kann, ist entschieden. Er besinnt sich nicht bei dem, was man von ihm fordert. Er arbeitet, ohne zu denken, ohne Anstrengung und Hast, aber mit Applikation und Liebe, wie der Vogel im Nest, wie die Biene ihre Zellen herstellt. Er ist nur eine Stufe über dem Tier und ist ein ganzer Mensch. Wie beneide ich den Töpfer an seiner Scheibe, den Tischler hinter seiner Hobelbank!"
Schon früh, sehr früh legt der Papiermacher großen Wert darauf, seine Arbeit nicht als Handwerk bezeichnet zu sehen, darum schließt er sich auch nicht mit seinesgleichen zu handwerklichen Zünften zusammen, sondern bleibt unzünftig, verbindet sich vielmehr dort, wo es möglich ist, mit den Vereinigungen der Künste. So sind die Papiermacher rund um Bologna im Mittelalter mit der dortigen Kunstgenossenschaft verbrüdert gewesen. So besagt eine Beschreibung der Handwerker der Stadt Nürnberg aus dem Jahre 1725: "Die Pappierer im Nürnbergisch gebieth halten es alle mit einander, nennens eine Kunst, seyn der Rüge als andre Handwerk nit unterworffen." So sagt ein alter Vers zu einer Ravensburger Papiermühlenzeichnung:
Papier zu machen ist ain Kunst,
Darumb ist diß werk nit umbsunst.
Wirklich eine Kunst, wie es selbst Kaiser Ferdinand III. im Jahre 1656 den Papiermachern in einem Privileg bestätigt hat: "dieses artificium, welches ohne allen Ruhm wohl für ein Kunstreiches Werk zu achten, gleichsam der gantzen Welt nutzbar und ersprießlich ist". Und Beyer sagt 1735 in seinem "Theatrum Machinarum Molarium": "Daß die löbliche Papiermacher-Kunst in die Klasse der nöthigen und nützlichen Künste mit zu zählen, wird weiter keines Beweises gebrauchen, ja es scheinet, als ob sie vor vielen anderen den Vorzug verdiene, weil ohne dieselbe alle anderen Künste nicht würden so hoch gestiegen sein."
Die Anlage einer Papiermühle stellte also eine Kulturleistung dar und wurde von Staats wegen gefördert durch Privilegien und sonstige Begünstigungen. Schon im vierzehnten Jahrhundert wurde der Universität Paris durch Johann II. das Recht eingeräumt, zu Essonnes eignes Papier herzustellen, doch wurde es nicht ausgeübt, da die übrigen Papiermacher Einspruch hiergegen erhoben. Universitäten wie Greifswald und Jena besaßen ihre eignen Papiermühlen. So war denn der "ehrenfeste und kunstreiche Herr Papyrer", wie er in den alten Kirchenbüchern genannt wurde, eine angesehene Persönlichkeit, der manche Aufgaben kultureller Art erwuchsen.
Er hat es nicht leicht. Ist schon der Ausbau der Mühle mit Schwierigkeiten ganz besoderer Art verbunden, so muß er nach ihrer Errichtung gleichsam von neuem in die Schule gehen und einen harten und kostspieligen Lehrgang durchlaufen. Der Schreiber und der Drucker, stellen ihm ihre Aufgaben, ihre Forderungen, der eine will das Papier hart, klangvoll und so glatt wie möglich haben, der andere verlangt es weich, schmiegsam und möglichst körnig, damit der Satz nach dem Druck gut drauf "steht" und klar gebettet ruht. So muß sich der "Papyrer" einer jeden Aufgabe anpassen und ständig darauf bedacht sein, auf der Höhe zu bleiben; denn wenn er "bös und flyssig Pappier" macht, d.h. solches, das die Tinte der Gänsefeder nicht halten kann, wird er bestraft und verliert seine Kundschaft noch dazu.
Eine Enzyklopädie aus dem siebzehnten Jahrhundert äußert sich sehr drastisch über die vielseitigen Augaben des Papiermachers: "Gleich wie es bei allen ehrlichen Gewerben heißt: Du wirst dich nähren von deiner Hände Arbeit, wohl dir, du hast es gut (Psalm 128), also dörffen auch Papiermacher nicht faullenzen, sondern müssen arbeiten und es ihnen lassen sauer werden, wenn sie ihres Leibes Nahrung und ihres Lebens Notdurft mit ihrem Handwerk gewinnen wollen. Denn der saure und bittere Nasen-Schweiß muß oft von ihnen in die Zeug-Löcher und in die Bütten tropfen und gleichsam den Zeug waschen und reinigen helfen."
Ein alter Bericht besagt, daß dem Papiermacher ein jeder Bogen, ehe man darauf schreiben kann, dreiunddreißig mal durch die Hand gehen muß, und wir wollen es gern glauben, daß es ein mühseliges Handwerk gewesen ist, eine schwer zu erringende Kunst, die da im verborgenen blühte. Einer, dessen Lob bis in unsere Zeit herüberklingt, war der Nürnberger Papiermachermeister Severin Heinrich. Unter seinem Bilde, das der Kupferstecher Sandrart fertigte, befindet sich von der Hand Sigmund von Birkens der Vers:
Was wär Kunst ohn Papier! Dies gab uns diese Hand.
Die Stirn, die man hier sieht, auch hatte Kunstverstand.
Alt wurde, der der Kunst das Altertum kont geben,
Herr Sevrin Heinrich soll auf dem Papier stets leben.
Um vier Uhr in der Frühe, an manchen Orten noch früher, begann die Arbeit in der Papiermühle und wurde bis in den Abend hinein fortgesetzt. Wer "papyrifex", wer "chartostrates" werden wollte, mußte als "Lehrjung" bei einer Papiermühle eintreten und eine genau bemessene Lehrzeit von vier Jahren und vierzehn Tagen durchmachen. Der Text eines der dabei üblichen Lehrbriefe aus der frühen Zeit des Papiers ist uns noch erhalten:
"Rats-Protokoll. Gengenbach in Baden an Martini 1586.
Es hat Clade Louj, der Papierer, Michel Becken den Jungen von Spinal 6 Jahre lang die Hantierung des Papiermachens zu lernen angenommen und aufgedingt, also und dergestalt, daß er ihn Solches treulich und wohl lernen und alles zeigen soll, was zu der Hantierung gebührt. Wenn dann solche 6 Jahre lang rum sind, so soll er, Clade Loui ihm dem Jungen 15 Gulden, dazu Hosen und Wammes, zusammt einem Mantel zu Lohn geben. Dafür ist Bürge worden:
Dietrich Beck, sein Bruder, der Papierer."
War die Lehrzeit vorüber, so mußte der Lehrjunge durch den Meister und Gesellen "zum ehrlichen Gesellen gesprochen werden". Solche Freisprechungen waren gewöhnlich mit großen Schmausereien verbunden, und als erste Tat nach seiner Verpflichtung hatte der "Neugesell" einen großen geschmückten Braten aufzutragen mit dem Spruch:
Mit Gunst und Handwerksbrauch
Stell ich meinen ehrlichen Lehrbraten auf.
Speisenfolge und Kostenrechnung einer solchen Festerei in der Nürnberger Gegend um 1740 sind uns erhalten, sie stellen das bei großen Bauernhochzeiten Gebotene entschieden in den Schatten. Der neugebackene Geselle war freilich der Leidtragende bei diesem Unternehmen. Konnten seine Eltern für die sehr beträchtlichen Kosten seiner Beförderung zum Gesellen nicht aufkommen, so mußte er sie in jahrelanger Arbeit bei seinem Meister tilgen.
Hart war die Arbeit der Schöpfer und ihrer Helfer in den feuchten Gewölben an den Bütten, täglich fünfzehn und mehr Stunden, und doch waren sie zufrieden, stolz auf ihren Beruf, und hielten sich für die glücklichsten Menschen. Diese harmlose Lebensfreude äußert sich in dem alten Lied der deutschen Papiermacher, das in vielfachen Lesarten in den meisten Mühlen der früheren Handpapiermacherei gesungen wurde. Die ersten Strophen lauten:
Morgens, wenn ich früh aufsteh
Und an meine Arbeit geh,
Dann beschau ich erst vorher
Meine Formen hin und her.

Hab ich sie für gut befunden,
Wird die Schürze vorgebunden,
Wird die Bütte aufgedeckt
Und ein Pfeifchen angesteckt.
Und der Schlußvers:
Und ward auch alles neu,
Steht doch fest die alte Treu.
Ewig jung bleibt doch mit Gunst
Immer die papierne Kunst.
Der Meister freilich, der Papiermüller, hatte es oft nicht leicht mit seinen Herren Gesellen, für deren Unterbringung und leibliches Wohl er zu sorgen hatte. Sie waren häufig recht anspruchsvoll und stellten Forderungen, die im Rahmen der bescheidenen Verdienste der Mühle nicht zu erfüllen waren. Dabei war es wichtig, mit ihnen einig zu werden, denn eine Klage der Gesellen über schlechte und unzureichende Verpflegung konnte zur Folge haben, daß die Werkstatt für "unehrlich" erklärt wurde und die Gesellen die Arbeit niederlegten.
So war das Familienleben des Papiermachers eng mit seiner beruflichen Arbeit verknüpft. War die Mühle bedeutend, so schlossen sich umfassende Wirtschaftsgebäude an den Hauptbau an, denn bei seiner einsamen Lage mußte der Papiermüller in der Regel Landwirtschaft betreiben. Es waren meist gegen zwanzig und mehr Personen zu speisen, Kleider und Wäsche waren für die Familie mit ihrer oft recht großen Kinderschar und für die Gesellen instand zu halten. Noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts tafelte mein Urgroßvater Heinrich August Schöller in seiner Papiermühle Schöllershammer inmitten seiner Gesellen, und seine Frau hatte trotz ihres Dutzends Kinder den umfangreichen Fabrikhaushalt zu führen. Sorge und Mühe gab es also mehr als genug.
Die allermeisten dieser alten Mühlen haben schwere Schicksalschläge über sich ergehen lassen müssen. In außergewöhnlichen Maße haben Brände unter ihnen gewütet. Es gibt kaum eine Mühle, die hiervon verschont geblieben ist. Und doch finden sich sehr häufig ganze Geschlechterfolgen von Papiermachern. Es gibt wohl ein dutzend Papiermacherfamilien in Deutschland, die dies Gewerbe seit über dreihundert Jahren ausüben. In anderen Betrieben wiederum wechselte fast mit jedem Menschenalter der Besitzer, häufig genug wandelte sich mit ihm das hergestellte Erzeugnis, und solche Entwicklung ist bekanntlich nie von Segen.
Der schwerste Schlag traf aber die Handpapiermühlen mit der Erfindung der Papiermachine und die Einführung des Machinenpapiers. Eine Mühle nach der anderen mußte den Betrieb einstellen, weil es nicht möglich war, mit dem Massenerzeugnis Schritt zu halten. Langsam, doch unaufhaltsam starb das alte, so sorgsam gepflegte Handwerk dahin.
Die Entwicklung mußte diesen Weg führen, allzu rasch wurde das Gewesene vergessen: und doch ist es unvergleichlich, unvergänglich, was die längst dahingegangenen alten "Papyrer" geschaffen haben. Durch ihre Kunst war wirklich "aus schlechtem Lumpengesind eine köstliche Sache" entstanden, dank ihrer Sorgfalt und Bedächtigkeit. Ehrfurcht erfüllte den alten Papiermacher, der täglich von neuem erlebte, wie durch sein Wirken aus dem Material geringen Ursprungs etwas Wertvolles entstand, ein schneeweißer Bogen, der mit seiner rauhen Oberfläche und den verlaufenden Rändern einem edlen Gewebe so ähnlich war.
Ein Holzschnitt von Jost Amman aus der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zeigt den "Papyrer" an seiner Bütte mit dem schönen Spruch von Hans Sachs:
Ich brauch Hadern zu meiner Mül,
Dran treibt mirs Rad deß Wassers viel,
Daß mir die zschnittn Hadern nelt,
Das Zeug wirt in Wasser einquelt,
Draus mach ich Pogn, auff de Filtz bring
Durch preß das Wasser darauß zwing,
Denn henck ichs auff, laß drucken wern,
Schneeweiß und glatt, so hat mans gern.
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