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Papiermacherwappen


Dieser Artikel ist aus dem Buch
»Wir machen die Sachen
die nimmer vergehen«
S.76 von Alfred Schulte, dem
ersten Leiter der
Forschungsstelle für
Papiergeschichte.
Bearbeitet von Frau Toni Schulte.
Erschienen 1955 im
Industrie-Verlag Wiesbaden.


 Schulte
  Alfred Schulte   1900 - 1944

Aus dem Tagebuch eines wandernden Gesellen

Die Wanderjahre waren einst Pflicht eines jeden Gesellen; ob Meisterssohn, ob Taglöhnerskind, er mußte hinaus in die Welt, andere Sitten kennenlernen und sehen, wie anderswo tüchtige Meister und Gesellen die löbliche Kunst des Papiermachens ausübten, Erfahrungen sammeln für den späteren Lebenskampf.
Heinrich Otto Ludwig Fueß, Louis genannt, war am 15. August 1800 in der väterlichen Fabrik in Herzberg am Harz geboren und hat dort wohl auch seine Lehrjahre verbracht. Mit gerade vollendetem 21. Lebensjahr packte er sein Felleisen und wanderte los. Sein Tagebuch, in dem er von etwa 80 besuchten Papiermühlen Besitzer und Einrichtung verzeichnete, ist uns durch diese Einzelheiten wertvoll. Die Art der Pressen war ihm besonders wichtig; um 1800 etwa waren verschiedene Konstruktionen gefunden worden, um die schweren Naßpressen an den Bütten zu verbessern, sie statt von Hand vom Wasserrad schneller und bequemer zu betreiben. Ihnen galt Ludwigs besondere Aufmerksamkeit, und er hat uns mit seinen Aufzeichnungen damit eine einzig dastehende Übersicht gegeben über den Stand der damaligen Preßtechnik und die Verbreitung der verschiedenen Konstruktionen. Aus dem umfangreichen Tagebuch sind hier in der Hauptsache die Stellen ausgezogen, welche heute noch bestehende Werke betreffen.
»Ich ging den 14ten August von meinen lieben Angehörigen und Freunden des Morgens weg, kam über das hannöverische Eichsfeld, durch die Oerter Gieboldehausen, Wolframshausen, Ebergötzen und Waake nach Weende, ein Dorf ½ Stunde von Göttingen. Nahe dabei liegt die Papiermühle mit einer Bütte, einem Holländer und 4 Loch Geschirre. Der Herr heißt Becker. Es waren zufällig zwei Geschirrbauer (Risch von Wernigerode) da, die den Holländer und statt einer Seilpresse eine Kammpresse bauten.¹)  Die Mühle hat an sich selbst eine vortreffliche Lage, das Wasser quillt dicht hinter der Fabrik, hat großen Absatz an Papier nach Göttingen und es ist auch eine Wirtschaft dabey. Ich hielt mich hier bis zum 17ten auf, ging den 16ten nach Göttingen, ließ mir ein Wanderbuch machen, und kaufte mir die noch fehlenden Reisebedürfnisse ein. Es wurden daselbst außerordentliche Anstalten gemacht, weil man den König von England erwartete. Es ist ziemlich gut gebaut, hat schöne breite Straßen, worunter sich vorzüglich die Weender auszeichnet; ich hatte schon früher die Bibliothek, Sternwarte, Museum, Anatomie usw. besehen, weshalb ich es diesesmal unterließ. Am 18ten begab ich mich wieder auf die Reise, ging über Göttingen, Eschershausen, Dransfeld usw. nach Volkmarshausen, ein Dorf eine Stunde von Münden. Ohnweit diesseits liegt die Papiermühle in einem sehr schönen Thale, wo die Chaussee durchläuft. Die Mühle ist ganz neu gebaut, hat eine gute Lage in Hinsicht des Absatzes nach Münden, von wo es auf die schiffbare Weser geht, und auch ziemliches Wasser. Es sind hier 2 Holländer, Lumpenschneider und eine Schiebpresse. Der Herr heißt Winderberg, vondem ich sehr gut aufgenommen wurde. Am 19ten setzte ich mich wieder in Bewegung über Münden (den hohen Berg), wo man eine herrliche Aussicht hat auf die Weser, Landwehrhagen, Sachsenhausen usw. nach Kassel
(Es folgt eine eingehende Schilderung von Kassel und Wilhelmshöhe, dann geht's weiter über die Papiermühlen Dorfgeismar, Homberg, Treisa, Kirchhain, Marburg, Rabenau)
»nach der zwischen den beyden Orten Unter- und Ober-Schmieden gelegenen Papiermühle eine Stunde von Nidda, einem Städtchen im Großherzogtum Hessen. Es ist eine noch ganz neue, vor 10 Jahren erbaute Fabrik, mit 3 Bütten, 2 Holländer an einem Kronrade, 8 Loch Geschirr und 3 Schiebpressen, das von 3 unterschlächtigen Wasserrädern betrieben wird. Ich wurde gleich erkannt von einem Landsmann, der bey der Vorderbütte stand, und sowohl von dem Herrn Commerzien-Rath Schneider als auch von den Gesellen sehr freundschaftlich aufgenommen. Ich mußte den andern Tag noch da bleiben, den Mittag und den Abend an des Herrn Tisch essen, und schlief auch die Nacht auf einer separaten Kammer. Der Abend wurde unter mancherley Gesprächen und Erzählungen, da der Herr ein Schwager von der Madame Kirchhoff zu Oker ist, und ich ihm davon viel erzählen mußte. Es war hier ein sehr starker Vorrat von Papier, in einem eigends dazu angelegten Magazien, worin 3 schöne Trockenpressen stehen. Das Wohnhaus steht allein und es ist alles sehr schön angelegt, vorzüglich in den Werkern; vom Holländer geht eine 50 Fuß lange Welle nach dem Hinter-Geschirr, das diese 4 Loch in Bewegung setzt.
Den anderen Morgen den 26sten September machte ich wieder fort (über Ortenberg, Büdingen, Keldenbach) nach Hanau, eine schöne große Stadt, am Mayn, mit schönen breiten Straßen. Die Mühle liegt unterhalb der Stadt an der Kinz, hat 3 Bütten, 3 Holländer, einen schönen Lumpenschneider, eine Glättmaschine und schöne Trockenpressen. Die Holländer gehen sehr gut 2 an einem Kronrade, und es wird hier sehr schönes Papier gemacht. Der Meister Sprinzing, ein sehr artiger Mann, nahm mich sehr solide auf; von dem Herrn Jäger wie von den Gesellen kann ich eben nicht Rühmen. Den anderen Morgen besah ich mich in der Stadt, ließ mein Wanderbuch fisiren, gab meinen Koffer auf die Post und verfügte mich den Nachmittag wieder fort«
(über Frankfurt, wo er u. a. in die Comödie ging, wo die Räuber von Schiller aufgeführt wurden, Darmstadt nach)
»Nieder-Amstad, eine Mühle mit 2 Bütten, 1 Holländer, 8 Loch Geschirr, eine schöne Schneckenpresse, das von 2 Wasserrädern betrieben wird. Die Fabrik ist vor 20 Jahren abgebrannt und daher noch ganz neu und sehr groß und geräumig gebaut; es ist auch Wirthschaft dabey; die Aufnahme war nicht sonderlich, obgleich der Herr Illig ein sehr artiger Mann war.«
(Ueber Reichenbach im Odenwald kam er am 5. Oktober nach Schriesheim, wo er in der oberen Papiermühle blieb und sich in die liebenswürdige Meisterstochter Hannchen verliebte. Er feierte dort Weihnachten und Ostern, besuchte Mannheim und Heidelberg und begab sich erst am 1. Juli wieder weiter, über Worms nach)
»Hardenburg, ein Dorf an einem starken Wasser, welches die Papiermühle treibt. Sie ist erst noch nicht lange gebaut und die Werker sind sehr schön angelegt. Es befinden sich hier 2 Holländer an einem Kronrade mit eisernem Getriebe, 6 Loch Geschirr, eine schöne Kammpresse, wo die Spindel steht und die Mutter sich dreht, und drey prächtige Trockenpressen im Saal mit geschnittenen Spindeln. Den Nachmittag ging ich auch ein wenig nach der Obermühle, die nur 5 Minuten davon liegt, ein kleines Mühlchen mit einem Holländer und einer Schneckenpresse. Der Herr ist ein Bruder zu dem unten. Ich wurde sehr freundschaftlich aufgenommen, vorzüglich auf der untern, wo ich übernachtete; der Herr heißt Röder. Den Morgen den 3ten setzte ich meine Reise wieder fort im Thal hinauf, wo ich auch noch eine Papiermühle, die einem gewissen Schmidtberger gehörte, passierte, und kam gegen Mittag nach der bey dem Dörfchen Frankeneck gelegenen Papierfabrik, eine aus drey großen Gebäuden bestehende Mühle an einem starken Wasser. In dem einen Gebäude liegen 2 Bütten mit Schnekkenpressen, 2 Holländer und 4 Loch Geschirr und Lumpenschneider, und auf der andern Seiten des Wassers liegt ein ander Haus, 1 Bütte auch mit obiger Presse, 1 Holländer und 8 Loch Geschirr. Das Wohnhaus steht separat. Es war hier der Zeug gebleicht, wo sie aus schlechten Conzept - Lumpen schönes Schreibpapier machen. Ich war hier über Nacht, wurde von Herrn Gosler und seinen Gesellen recht gut aufgenommen, obgleich seine Herrn Söhne nicht eben rühmen kann.
Den andern Morgen ging ich im Thal hinunter nach Neustadt an der Haardt; eine ziemlich alte aber sehr lebhafte Stadt. Es sind hier zwey Papiermühlen oberhalb derselben dicht bey einander, nur durchs Wasser getrennt. Ich war in der, der Madame Knökel gehörig, eine vor 8 Jahren, wo sie abgebrannt ist, neu gebaute Mühle, mit 2 Bütten, 2 Holländer, 6 Loch Geschirr und einer Schneckenpresse. In der andern der Madame Röder (eine sehr dicke Frau) sind auch 2 Bütten, 2 Holländer, 6 Loch Geschirr und eine Kammpresse mit einem großen Rad, die aber sehr schlecht geht, weil die Spindel nur ½ Zoll steigt. In ersterer verweilte ich mich bis den Samstag; abends gingen die beyden Söhne Carl und Fritz, ein paar sehr artige Leute, und die Gesellen mit mir in die Stadt nach einem Wirthshaus, der Karlsberg genannt, wo wir bis um 12 Uhr beym Wein sehr fidele waren, und den andern Abend wieder.«
(Fritz Knökel brachte Fueß dann in einspänniger Chaise nach Mannheim und der künftige Schwiegervater (eigentlich Stiefschwiegervater) Spangenberg brachte ihn im Wagen mit seinem inzwischen zugewanderten Cousin Otto Andrae bis Bruchsal. Von da kamen beide über Karlsruhe am 19. Juli 1822 nach)
»Ettlingen. Es sind hier 2 Papiermühlen, eine oberhalb der Stadt und die andere unterhalb derselben, die einem Herrn Buhl gehören. Wir gingen auf die obere, weil man auf der unteren kein Nachtlager erhält. Es ist eine herrliche Mühle und die schönste in den Werkern, die ich noch gesehen. Sie sind auf englische Art angelegt. Sie besteht aus 3 Bütten, 3 Holländer, 6 Loch Geschirr, 2 schöne Kammpressen, wo die Spindel steht, Lumpenschneider nebst Wolf, und wird durch 2 Wasserräder unterschlächtig getrieben. Was mir besonders auffiel war, daß anstatt bey uns Krüken in der Bütte sich hier eine Welle drin befindet, die vier längliche Flügel hat, die durch Rollen getrieben, und der Lumpenschneider, der anstatt der Schlagstange ein Schwungrad hat, an dem 2 Messer befestigt sind, die an einem andern, das am Kreuz sitzt, sehr schnell sich drehen. Auf der unteren Mühle sind 2 Holländer und 11 Loch Geschirr, wo aber immer graue Papiere gemacht werden, so wie auf der obern feine. Wir wurden von den Gesellen sehr gut aufgenommen, gingen des Abends in ein Wirthshaus zum Wein, und wo auch schliefen die Nacht.«
(Ueber Baden-Baden am 22. Juli Ankunft in)
»Oberachern. Die hiesige Papiermühle, eine schöne geräumige Mühle, hat gutes Wasser und geht unterschlächtig. Sie besteht aus 1 Bütte, 1 Holländer, 6 Loch Geschirr und einer sehr guten Kammpresse. Wir wurden sehr gut bewirtet, der Herr heißt Sauter, dessen Bruder ¼ Stunde oberhalb auch eine gute Mühle hat, die wir aber nicht besuchten. Den andern Morgen den 23sten Juli über Offenburg nach Gengenbach. Die hiesige Papiermühle liegt ¼ Stunde in einem Thal, es ist eine kleine alte Mühle, 1 Bütte, 1 Holländer, 4 Loch Geschirr und Handpresse. Es ist sehr kleines Wasser hier, nur ein Wasserrad und hatten schon 8 Wochen stillgehalten. Die Aufnahme war nicht sonderlich, vorzüglich bey den Gesellen (kein Ehrentrunk) und machten uns den andern Morgen nach dem Frühstück (Kartoffelsuppe und Kartoffeln) wieder auf die Beine«
(über Zell am Harmersbach Waldkirch nach)
»Emmendingen. Es ist eine sehr gute Mühle, hat 2 Bütten, 2 Holländer, 8 Loch Geschirr, eine Kammpresse mit einem großen Rad und eine Glätte. Es wurde hier gelbes und violettes Zichorien - Papier gemacht. Die Aufnahme von dem Herrn vorgesetzten Meister (Hering), bey dem wir aßen, war freilich nicht sonderlich, von den Gesellen wurden wir aber so ziemlich respectiert. Die Fabrik hört den Gebr. Sonntag, die in der Stadt wohnen.
Freyburg, schöne sehr lebhafte Stadt an der Dreysam, welche auch die Papiermühle treibt. Die Gesellen gingen den Nachmittag mit uns zum Ehrentrunk nach einem Wirthshause vor der Stadt, wo sie uns mit Bier und Wein traktierten. Die Papiermühle ist an sich nicht schön, vorzüglich sehr miserable Werker; sie hat 1 Holländer, 7 Loch Geschirr, 1 Bütte und eine sehr schlechte Seilpresse am Wasser, die sie aber mit dem Haspel wieder hinauftreiben müssen. Der Herr heißt Müller.«
(Die Wanderung ging dann weiter über Freiburg nach Basel [5 Papiermühlen] und weiter zu den schweizer Mühlen in Lause, Wallenburg, Mümliswil, Bern, Luzern, Coom [am Zuger See], Zürich, zurück zum Rheinfall bei Schaffhausen und nach der eigenartigen Mühle zu)
»Stein a/Rhein. Die hiesige Papiermühle liegt rechts ½ Stunde entfernt auf einer Anhöhe. Sie besteht aus 4 unter einander liegenden Werkern, zusammen hat sie 2 Bütten mit Handpressen, 2 Holländer und 8 Loch Geschirr und 2 Glättmaschinen. Es ist ein sehr kleines Wässerchen hier, daß man es mit der Hand aufhalten kann, und es ist zu bewundern, wie es geht; die Werker sind aber sehr leicht und zweckmäßig angelegt. In dem obern Gebäude, wo das Wasser gleich drüber quillt aus einem Felsen, befinden sich 2 Loch Geschirr; in dem zweyten, das eigentliche Wohnhaus, ist eine Bütte und 1 Holländer; in dem dritten sind 3 Loch Geschirr und in dem vierten 1 Bütte, 1 Holländer und 3 Loch Geschirr. Jedes Werk hat 30 Fuß Fall und geht ziemlich gut, die Holländer sind zweymal vorgelegt. Der Herr Schinz wohnt in Zürich, kommt aber sehr oft. Wir wurden sehr gut aufgenommen.«
(Die Wanderung ging über die Papiermühlen Botikhofen, Rorschach, Berney [k?], Lauterach, Lindau nach)
»Wangen. Die hiesige Mühle ist sehr groß aber alt, hat schönes Wasser und geht unterschlächtig. Sie besteht aus 1 Bütte, 1 Holländer und 6 Loch Geschirr. Es wird hier sehr großes Papier gemacht, wie ich noch nie gesehen, mit Flaschenzügen, wo auch allemal zwey gautschen, auch nur eine Form gebraucht wird. Wir wurden so paßable aufgenommen; sie waren recht katholisch und wie sie Abends den Rosenkranz beteten und wir nicht knieten, hießen sie uns hinausgehen. Den Sonntag ging ein Gesell, ein Schweizer (Schanz) mit uns in die Stadt zum Bier, wo ich mit einem alten Gesellen wegen Handwerkssachen Zwistigkeiten kriegte. Der Herr heißt Lutz. Montags früh den 19ten August brachen wir wieder auf, kamen auf der Chaussee entlang, die sehr bergig führt, über das Städtchen Isny und mehrer Ortschaften nach Kempten, alte aber noch ziemlich gute Stadt, weil die Häuser alle weiß sind. Es befinden sich hier in Zeit drey Stunden 11 Papiermühlen, die meistens an der Iller liegen, die dicht an der Stadt vorbeyfließt. Wir gingen in die nächste, in der Vorstadt genannt. Sie besteht aus 1 Bütte mit einer Kammpresse, deren Kammwerk sich, wegen der niedern Bauart auf dem Boden befindet. 1 Holländer und 9 Loch Geschirr. Das Wohnhaus steht allein. Es paßirte hier; der Herr heißt Lucas Schachenmeyer. Den andern Nachmittag gingen wir nach der dem Herrn Ebert gehörigen Papiermühle, die nicht weit ist. Sie hat 2 Bütten und ebenso viel Werker wie die unten.«
(Weiter ging's über die Mühlen zu Leipas, Kaufbeuren, Landsberg, Haunstetten nach)
» Augsburg. Wir gingen um die Stadt herum auf dem Walle, gaben unsere Wanderbücher an einem Thor ab, und kamen zu der Papiermühle des Herrn Sieber, wo wir unser Sonntagslogis nahmen. Den andern Morgen gingen einige Gesellen mit uns in die Stadt. Den Nachmittag spazierten wir in den Schießgarten, wo so 12 junge Papiermacher zusammenkamen, und wo wir bey guten Bier recht vergnügt waren und erst abends 10 Uhr wieder nach der Mühle kamen. Es ist eine herrliche noch beynahe ganz neue Mühle, hat herrliches Wasser, das aus dem Wallgraben kommt, 3 Bütten mit schönen Kammpressen mit großen Rädern, 2 Holländer; an einem ist ein meßingern Gedriebe und Schwunkrad, und 11 Loch Geschirr und geht unterschlächtig. Wir wurden sehr freundschaftlich aufgenommen und blieben bis den Montag Mittag, wo wir denn nach der andern Mühle zum Herrn Ehner gingen, ein geborener Hannoveraner, der eine Tochter vom vormaligen Meister Kilian geheiratet hat. Die Mühle ist noch so ziemlich, das kleine Wohnhaus steht allein, sie hat 2 Bütten, 1 Holländer, 8 Loch Geschirr und 2 Seilpressen, geht unterschlächtig.«
(Otto Andrae fand hier Arbeit und Fueß fand einen andern Reisegefährten, namens Deininger von Unterkochen; sie zogen über Papiermühle Mering nach München in die Papiermacherherberge auf dem Montenbrey.)
»Sonnabend den 31sten August ließen wir unsere Pässe visiren, kriegten sie aber nicht eher bis wir Nachmittag mit unsern Felleisen kamen, wo wir den Nachmittag auf die in der Vorstadt gelegene Aue Mühle gingen. Es ist ein großes Wesen, aber nicht sehr schön, sehr viel Unordnung. Es befinden sich an Werkern 2 Bütten mit Kammpressen, 2 Holländer und 18 Loch Geschirr. Wir blieben über Sonntag, wo denn zwey Gesellen mit uns zum Frühstück, weil man auf der Mühle nichts kriegte, und in die katholische Kirche zu St. Petrus gingen.«
(Mit dem Floß ging die Reise weiter bis Landshut die Isar hinunter, zur Papiermühle dort und weiter über die Mühlen zu Regensburg, Laaber, Schmittmühlen, Hohenburg, Pfaffenhofen, Hagenhausen nach Burgthann, Klein-Röthenbach, Wendelstein, der Weidmühle bei Nürnberg, Erlangen, Feuerbach, Haslom am Main, Amorbach, Erbach und wieder nach Schriesheim zu seinem Hannchen, das ihm schon eine Stunde weit entgegen kam. Wieder blieb er hier dreiviertel Jahr bis zum 19. Juni 1823 und reiste nach schmerzlichem Abschied mit Fahrgelegenheit bis Hanau. Von da wieder zu Fuß über die Papiermühlen Gelnhausen, Steinau an der Straße, Vacha an der Rhön, Wutha bei Eisenach, Erfurt, Ober-Weimar, Remda, nach)
»Blankenburg. Die Mühle liegt jenseits der Stadt an einem starken Wasser, die Schwarze genannt; sie ist groß, hat 2 Bütten mit Seilpressen, 2 Holländer und 7 Loch Geschirr. Ich wurde außerordentlich freundschaftlich sowohl von den alten als jungen Stahls empfangen und mußte dann 8 Tage dableiben... Mittwochs den 9ten July fuhr ich ab«
(über die Papiermühlen Jena, Dornburg, Pforta, dann nach Leipzig und mit Fahrgelegenheit über Wittenberg, Potsdam nach Berlin, wo er nun am 15. Juli als größte Sehenswürdigkeit die erste Papiermaschine sah, die damals etwa 4-5 Jahre in Betrieb war).
»Den Nachmittag ging ich nach der berühmten Patent-Papierfabrik, die am Stralauer Thor in der Mühlen-Straße liegt; durch den Herrn Faktor Leinhaas bekam ich denn Einlaß, der mich denn auch überall herumführte. Mit Staunen sah ich dies kostspielige kunstreiche Werk an; es genau zu beschreiben war die Zeit zu kurz, das ich es sah. Die Dampfmaschine treibt 6 Holländer, wo allemal drey an einem Stirnrade liegen, die Räder mit Getrieben und Wellen ist alles von Guß-Eisen, und geht einzig; der eine von drey Holländern ist ein Halber-Zeug-Holländer, aus dem der Zeug gleich in die beiden niedriger liegenden andern läuft, aus diesen in zwey große Kasten, in denen eine stehende Welle als Rechen die Masse immer umrührt; von hier läuft der Zeug nun auf die Maschine, wo vorn eine Scheibe ist zum Stellen entweder dick oder dünne Papiere, man kann es sich denken als ein großes Lumpensieb, von feinem gewebten Draht, das unaufhörlich hinter sich bewegt und dadurch die Masse zusammen treibt, dies ist ungefähr 6-8 Schuh, dann passirt es zwey eiserne Walzen, zwischen denen sich der Filz befindet und die es schon so auspressen wie bey einer Presse; von hier gleich wieder zwey metallene, die aber Schluß sind und es nur glatt machen, und hinter denen hat es eine solche Festigkeit, daß es sich schon auf einer Haspel aufwickelt. So ist es schon fertig, und nun schneidet man die Form des Papiers, die man haben will. Es sind eygentlich zwey Dampfmaschinen, eine, die die Maschine, und eine andere größere, die die Holländer treibt. Sie machten gerade Zuckerpapier. An den vier Bütten (die man aber nicht zu sehen kriegt), wird das ganz feine Post, auch die Tresor- und übrige Staatspapiere gemacht. In dem Preßsaale stehen 16 Pressen, eine so schön wie die andere, es waren 8 Gesellen da; in dem Saal und bey den Lumpen befinden sich 60-70 Weibspersonen. Wenn die Maschine den ganzen Tag geht, fertigen sie mit derselben 120 Ries Median und 200 Ries Schreibpapier. Da ich nun doch die berühmten Papier-Fabriken sehen wollte so ging ich den andern Morgen früh weg und kam über das Städtchen Bernau nach Wolfswinkel, große Fabrik an dem berühmten Fino-Canal, der die EIbe mit der Oder verbindet. Die Fabrik besteht aus einem in Linie gebauten großen Gebäude, hat 8 Bütten, 4 und 4 zusammen, wo 2 allemal eine Kammpresse haben, 4 Holländer an 2 Kronrädern, 4 Loch Geschirr und Lumpenschneider; das alles durch 3 große unterschlächtige Räder betrieben wird. Im Preßsaal stehen 11 Trockenpressen. Um die Fabrik herum befinden sich die Gesellenwohnungen, deren hier 28 sind. Das Herrenhaus ist an der Mühle. Man bekommt einen Thaler Courant, mit dem man denn sich beköstigt in einem nahen Wirthshause. Der Herr heißt Nitsche und der Meister Gretschmann.
Den Sonnabend Nachmittag ging ich nach dem 1 Stunde entfernten Spechthausen, große Fabrik an einem schönen Wasser. Sie ist viel größer wie erstere, ist in ein Dreyekigt gebaut und herrlich eingerichtet. Sie besteht aus 8 Bütten, 2 und 2 zusammen, mit Handpressen, 6 Holländer an 3 Kronrädern, und Lumpenschneider, das durch 3 vierzehn Fuß hohe oberschlächtige Räder betrieben wird. Auch ist noch ein Beygeschirr mit 8 Loch ½ Stunde davon, dabey. Das Wohnhaus steht separat, auch herrliche Gärten und Anlagen umgeben die Fabrik. Die zahlreichen Gesellenwohnungen (39) und Oekonomiegebäude liegen dabey, so daß es einem Dorfe gleicht. In dem Preßsaal der Mühle befinden sich 12 schöne Pressen. Der Herr heißt Ebart, der Meister Vorster. Den Montag Morgen ging ich nach Berlin zurück.«
Ludwig Fueß besichtigte noch Sanssouci und das neue Palais, fand in Brandenburg Fahrgelegenheit nach Magdeburg, besah Halberstadt und die Papiermühle Groningen, blieb noch einige Tage in der unteren Papiermühle zu Wernigerode und ging dann über Ilsenburg hinauf "nach des Harzes höchstem Gipfel", dem Brocken, womit am 3. August 1823 das Reisetagebuch endigt. Er blieb nicht lange bei den Eltern in der Herzberger Papiermühle, zog wieder nach Schriesheim, wo er am 1. Januar 1824 sich mit Johanna Bilz verheiratete, und blieb zunächst dort. Im Winter 1825/26 übernahm er die Papiermühle im ehemaligen Kloster Tiefenthal bei Neudorf im Rheingau, hielt sich dort bis 1830 und pachtete dann die Papiermühle zu Mohringen unweit seiner Heimat, kaufte sie einige Jahre später und hat dann gezeigt, daß er die Erfahrungen seiner Wanderjahre auch anwenden konnte, denn er betrieb die Mühle etwa 40 Jahre, hat sie bedeutend erweitert und verbessert, aber die Papiermaschine hat schließlich auch hier das alte Handwerk eingehen lassen. Louis Fueß selbst starb am 3. Dezember 1874.
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¹)  Eine Kammpresse ist die im Deutschen Museum, bei der durch Kammräder die Kraft des Wasserrades auf die Presse übertragen wird. Bei der Seilpresse wurde von Hand mittels Haspels und Seiltrommel gepreßt, bei der Handpresse, der ältesten Form, mit Haspel und Preßbalken, der nach jeder Vierteldrehung umgesteckt werden mußte. Die Schiebpresse arbeitete mit Exzenter und Schubstange auf ein Zahnrad. Bei der Schneckenpresse wurde eine Schnecke ohne Ende in ein Kammrad eingerückt.
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