Kunst Papier zu machen blogus-Logo

Papiermacherwappen


Henkel, Gerda:
Die Papiermacher-Ahnen in der
Ahnentafel der Geschwister
Henkel. Düsseldorf-Hösel:
Privatdruck G.Henkel 1941




Bilder zum Text Wasserzeichen Schatten-
wasserzeichen
EDICT Trinkglas Stampfwerk Schöpfgeselle Gautscher Zusammen Betrugs-Lexikon

Die Kunst der Papiermacher

PAPIER ZU MACHEN IST AIN KUNST! Als Wasserzeichen enthalten diesen alten Papiermacherspruch einige 1937 von der Papierfabrik Renker und Söhne in Zerkall gefertigte Bogen, in deren aufgedrucktem Fries die Arbeitsweise der früheren aus der Bütte schöpfenden Papiermacher wiedergegeben ist.
Um die Wende des 18./19. Jahrhunderts waren solche Papiermacher noch "kunsterfahrene", hochangesehene, oft auch geheimnisvoll bestaunte Leute, welche durch die Geschicklichkeit ihrer Hände, durch die Güte und Schönheit ihrer aus Lumpen geschaffenen Erzeugnisse und durch manche Berufsgeheimnisse eng miteinander verbunden waren. Unter den Handwerkern und Gewerbetreibenden nahmen sie zu allen Zeiten eine besondere, durch Privilegien geschützte Stellung ein. Vor den durch Napoleon I. bewirkten Umwälzungen in Europa pochten an Bächen und Flüssen Papiermühlen, in denen nach der Väter Weise, altüberkommenem Brauch getreu, Papier aus der Bütte geschöpft wurde. Während die Französische Revolution des Jahres 1789 die Welt in Aufregung versetzte, hörten die Papiermacher, von denen mancher darüber grübelte, wie die schwer zu beschaffenden und zu reinigenden, teueren Lumpen durch einen anderen Ausgangsstoff ersetzt werden könnten, von der Erfindung einer Papiermaschine, welche die Arbeit des Schöpfgesellen übernehmen und große Mengen Papier erzeugen sollte. Niemand von ihnen glaubte aber, daß sich die Papiermaschine zur Papiergroßmaschine mit einer Erzeugung am laufenden Band durchsetzen und unserem 20. Jahrhundert den Beinamen eines Jahrhunderts des Papiers einbringen würde. Durch die Erfindung des Leimens des Papiers in der Papiermasse hatte Moritz Friedrich Illig diesen technischen Fortschritt vorbereitet.
Papier kennt man seit den ältesten Zeiten in vielen verschiedenen Arten, Sorten und Größen. Von der Papyrusstaude an den Ufern des Nils leitet es den Namen her. Aus Papyrus sollen "kunsterfahrene Pappyrer" schon um das Jahr 3500 vor unserer Zeitrechnung papierähnlichen Beschreibstoff gemacht haben. Sie zerschnitten das Mark der Papyrusstengel in dünne Streifen, deren Länge von der bis zu 5 Meter hoch wachsenden Pflanze abhing. Die Streifen wurden nebeneinander und als zweite Schicht quer über die erste gelegt, später auch schachbrettartig miteinander verflochten, mit einem Holzhammer zu einer naturfarbenen, hellgelben Fläche geklopft, die man nach Glattstreichung mit Hilfe eines Steines als Schreibfläche verwenden konnte. Da das Binden des Papiers zu Heften oder Büchern noch unbekannt war, half man sich bei größeren Schriftstücken durch Aneinanderkleben mehrerer Stücke, die gerollt aufgehoben wurden. Da diese aus pflanzlichen Stoffen gefertigten "Papyrusrollen" Witterungseinflüssen unterlagen und leicht zerstörbar waren, verwandte man als Schreibfläche für wichtige Urkunden ungegerbte, gebleichte Kalbs-, Ziegen-, Schafs- oder Eselsfelle, die nach der Stadt Pergamon den Namen "Pergament" trugen. Bis in unsere Zeit hinein konnte sich das in seiner Herstellung teuere Pergament für Staatsdokumente behaupten. Der Vertrag von Versailles ist 1919 auf Pergament und der Weltpostvereins-Vertrag des Jahres 1934 auf Gazellenhaut aufgeschrieben worden.
Um das Jahr 1000 unserer Zeitrechnung wurde in den Ländern um das Mittelmeer ein aus dem Osten kommender Schreibstoff bekannt, der dem Pergament so ähnlich war, daß er sich unter dem Namen "Pergamena graeca" in allen papiererzeugenden Ländern des Mittelalters durchsetzte. Der grundlegende Unterschied dieses neuen Stoffes gegenüber dem pflanzlichen Papyrus und dem tierischen Pergament bestand darin, daß dieses "Papier" aus zerlegten pflanzlichen Faserstoffen durch Verfilzung derselben gewonnen wurde, ein Vorgang, auf dem noch heute die Papiererzeugung beruht. Aus künstlich zerlegten, mit Wasser zu einem Brei verrührten Faserstoffen "schöpfte" man einen Papierbogen, den man leimte, trocknete und glättete. In jahrhundertelanger Wanderung kam diese "Papiermacherei" über Italien nach Deutschland.
In der Freien und des Reiches Stadt Nürnberg begann 1390 der Ratsherr und Patrizier Ulman Stromer, dem zu Ehren die Papierfabrik ZerkalI 1938 ein Schattenwasserzeichen schuf, mit lombardischen Papiermachern die Papiererzeugung.
Von Nürnberg aus verbreitete sich die Kunst des Papiermachens durch Europa. Zunächst blieb aber die Menge des Papiers gering und es gab nur wenige Papiermühlen. Noch war Schreiben eine wenig geübte Kunst, den Mönchen in den Klöstern vorbehalten, die für ihre Psalter und Chroniken lieber Pergament als Papier verwandten. In den städtischen Rats- und Schreibstuben war der Verbrauch von Schreibpapier gering, und klein war die Zahl derer, die durch Druckstöcke oder holzgeschnitzte Lettern das gesprochene Wort auf Papier festzuhalten versuchten.
Erst Gutenbergs Erfindung des Gusses beweglicher Einzellettern und die von ihm erbauten Druckpressen brachten den Papiermachern große Absatzmöglichkeiten und eine Trennung ihrer Erzeugnisse in Schreib- und Druckpapiere. Dem Schreiber mußte ein möglichst glattes, geleimtes, tintenfestes Papier geliefert werden, über das der Gänsekiel leicht hinweggleiten konnte; der Drucker dagegen verlangte ein zwar festes, aber weiches, die Druckerschwärze aufsaugendes, die Buchstaben deutlich wiedergebendes Papier.
Als erste der großen wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen brachte die Reformation Druckpapiere in größeren Mengen unter die Menschen. Luther übersetzte die Bibel, die in vielen Exemplaren verbreitet wurde und eine Unzahl religiöser Bücher entstehen ließ. Seine Kampf-, Streit- und Fehdebriefe bewirkten Gegenschriften und Flugblätter. Überall in deutschen Städten entstanden Druckereien, deren Papierverbrauch von Jahr zu Jahr stieg. Schreibpapier verlangten Theologen, Professoren und Studenten, die auf Deutschlands Hohen Schulen und Universitäten viele Disputationen, Dissertationen und Pamphlete verfaßten. "Was steh ich tumber Weiser hier, kann ich nicht schreiben auf Papier!" ist ein in jenen Zeiten immer wiederkehrender Stoßseufzer vieler Leute. Das Papier begann Mittler und Träger der Gedanken zu werden, welche die Menschen bewegten. Unzählig sind die religiösen Trostbücher, die von Luthers Nachfolgern verfaßten Katechismen, die Leichenpredigten und Flugschriften, die vom 16. Jahrhundert an in Deutschland und Europa verbreitet wurden.
Die starke Nachfrage regelte die Erzeugung. Papier zu machen wurde nun eine vielbegehrte Kunst. Unter landesherrlicher, adeliger oder städtischer Förderung wurden Mahlmühlen zu Papiermühlen umgebaut und neue errichtet. Für die Papiermacher kamen goldene Zeiten, denen der Dreißigjährige Krieg ein jähes Ende bereitete. Ganz Deutschland versank aus wirtschaftlicher und kultureller Blüte in Not und Elend. Erst von der Mitte des 17. Jahrhunderts an begann durch die damals absolutistisch regierenden Fürsten und Landesherren ein langsamer Wiederaufbau. Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, zog Flüchtlinge nach Preußen und begünstigte die Papiermacherei. Da jede Papiermühle neben dem Wassernutzungszins noch eine jährliche Pacht in Geld oder abzuliefernden Papierbogen zu zahlen hatte, so war sie eine begehrte Einnahmequelle, die viele Landesherren oder Adelige zu nutzen verstanden. Von 1650 an nahm die Zahl der Papiermühlen in Deutschland sehr zu, immer mehr Menschen fanden in der Papiermacherei ihren Lebensberuf. Viele Papiermachergeschlechter arbeiteten oft mehrere Generationen nacheinander auf ein und derselben Papiermühle.
Will man die Arbeit eines "kunsterfahrenen, ehrsamen Pappyrers" in vergangener Zeit verstehen, so muß man wissen, daß ohne Wasser und Lumpen, ohne Zeug und Stoffabfälle eine Papiererzeugung unmöglich war. Herr des Wassers war nach altdeutscher Anschauung der Grundherr, der Landesfürst oder ein Adeliger, der einem Papiermacher gegen Zahlung einer jährlichen Abgabe, Wassergeld oder Wasserregal genannt, und gegen Lieferung einer bestimmten Menge Papier das Recht der Wassenutzung gab. Da das Wasser klar und frei von Verunreinigungen, vor allem weich sein mußte, finden wir die meisten deutschen Papiermühlen an kleinen Gebirgsbächen. Dort, wo das Gefälle nicht ausreichte und der Zufluß zu sehr von der Jahreszeit abhing, wurde das Wasser hinter Wehren in Teichen gestaut. Naturgegebene Störungen waren unvermeidlich. Heiße Sommer trockneten Teiche und Bäche aus, strenge Winter zwangen durch Eis und Schnee ebenso wie Überschwemmungen im Frühjahr oder Herbst zu Arbeitspausen.
Als Rohstoff und Ausgangsmaterial kannten die Papiermühlen nur Lumpen. Um diese aufkaufen und sammeln zu können, erbat und erhielt ein Papiermacher von seinem Landesfürsten, von einem Adelsherren oder vom Rat seiner Heimatstadt das Lumpenaufkaufsrecht für einen bestimmten Bezirk. Für diesen "Lumpenbann" war eine jährliche, in ihrer Höhe oft Jahrzehnte hindurch unveränderte Zahlung zu leisten.
Reste aller möglichen Stoffe, vom sehr gesuchten, sauberen Linnen bis zum verschlissenen, verschmutzten Lappen, waren sehr begehrt. Je mehr Papier erzeugt wurde, desto schwieriger war die Beschaffimg der "Hadern" genannten Lumpen. Es gab deren nicht viele, da man damals mehr Wert auf gute Beschaffenheit als auf modisches Aussehen der Kleidungsstücke legte. Schon nach dem Dreißigjährigen Kriege machte der Lumpenmangel vielen Papiermachern große Sorgen, zumal sie nicht mehr selbst einen ihrer Knechte zum Lumpenaufkauf über Land schicken konnten. Die Lumpensammler waren zu einem selbständigen Gewerbe geworden. Sie kümmerten sich vielfach nicht um den einer Papiermühle verliehenen Lumpenbann, sondern versuchten, ihre Ware dort, wo sie am höchsten bezahlt wurde, abzusetzen.
Das Original eines im Jahre 1747 von Friedrich dem Großen erlassenen, in Magdeburg bei dem königlich preußischen privilegierten Hofbuchdrucker Nicolaus Günther gedruckten
EDICT, wie es zur Aufnahme der
einländischen Papier-Mühlen
mit den Lumpen gehalten werden soll".
Durch solche Verfügungen ließ sich aber der allgemeine Mangel an Lumpen nicht beheben, so daß sich vom ersten Viertel des 18. Jahrhunderts an manche Gelehrten und Papiermacher mit Versuchen befaßten, die Lumpen durch einen anderen Ausgangsstoff zu ersetzen. In den Jahren 1765 bis 1771 ließ der Pfarrer und spätere Superintendent Jacob Christian Schäffer in Regensburg an der Donau in mehreren Bänden seine "Versuche und Muster, ohne alle Lumpen oder doch nur mit einem geringen Zusatz derselben Papier zu machen" erscheinen. Darin zeigte er 24 verschiedene Papiersorten, die aus Holz, Stroh, Moos, Hopfenranken, Weinreben, Brennesseln, Torf, Disteln oder hölzernen Dachschindeln aus der Bütte geschöpft waren. Alle diese Muster hatten den Nachteil, daß sie die natürliche dunkelgelbe, braune oder grüne Färbung der Ausgangsstoffe behielten. Auch das aus Lumpen gefertigte Papier war damals in seiner Färbung noch sehr verschieden. Saubere, weiße Leinenlumpen, die monatelang gesammelt werden mußten, bevor sich ein genügender Vorrat zur Verarbeitung angesammelt hatte, ergaben ein schönes, weißes Schreibpapier bester Beschaffenheit, das sich aus verschmutzten Lumpen nicht herstellen ließ. Man konnte damals die Lumpen noch nicht kochen oder chemisch bleichen, Reinigungsmittel waren noch unbekannt. Daher zeigt das Papier vergangener Zeiten die gelbliche oder braune Tönung, die man fälschlicherweise dem Altwerden oder Vergilben des Papiers zuschreibt. 1774 gelang es dem Chemiker Karl Wilhelm Scheele, Chlor herzustellen, das zuerst von dem Franzosen Berthollet zum Bleichen der Lumpen, dann bald überall in der Papiermacherei verwandt wurde.
Erfolgreicher als Jacob Christian Schäffer war der Webergeselle Friedrich Gottlob Keller aus Hainichen in Sachsen mit seinen Versuchen, einen Ersatzstoff für Lumpen zu finden. Er hatte die Forschungen des französischen Physikers Reaumur nachgeprüft, der schon 1719 auf die Nesterbauart amerikanischer Wespen aus einem papierähnlichen Stoff hingewiesen hatte. Keller erfand den Holzschliff, indem er trockenes Holz durch einen nassen Schleifstein zerfaserte. Dadurch gewann er einen Holzbrei, der aus der Bütte geschöpft werden konnte und sich im Schöpfrahmen durch Schütteln verfilzte. Diese größte Erfindung der Papiermacherei, auf der noch heute die Papierfabrikation beruht, konnte er selbst seiner geringen Mittel wegen nicht ausnutzen; er überließ sie dem Maschinenfabrikanten Völter, der mechanisch angetriebene Schleifapparate zur Holzschliffbereitung herstellte.
Durch Kellers erfolgreiche Versuche war ein Ersatzstoff gefunden, doch stellte sich bald heraus, daß das mit Holzschliff erzeugte Papier schnell vergilbte und brüchig wurde. Erst um 1870 gelang die Erfindung des Zellstoffes. Unter Zufügung chemischer Aufschlußmittel wurde Holz gekocht und dadurch in Zellstoff verwandelt, in dem man einen technischen Urstoff entdeckt hatte. Als Aufschlußmittel hatten 1871 Dresel das Natronverfahren, 1884 Dahl das Sulfatverfahren erfunden, die durch das schon 1874 von Mitscherlich nach Deutschland gebrachte amerikanische Sulfitverfahren verdrängt wurden, nach welchem man auch heute aus Stroh Strohzellstoff zur Herstellung von Papieren und Pappen erzeugen kann. In langer Forschungsarbeit hat menschlicher Erfindungsgeist der Papierindustrie einen Ausgangsstoff geschenkt, der überall einfach und billig zu bekommen ist und die Lumpen völlig aus der Papiermacherei verdrängte.
Von diesen Erfindungen hatten die "kunsterfahrenen Pappyrer" noch keinen Nutzen. Sie litten noch unter dem Lumpenmangel, und dieser bedingte eine Eigentümlichkeit der Papiermacher: ihren großen Wandertrieb. Bei den Papiermachern war es wie in vielen anderen Berufen üblich, daß der Sohn des Vaters Beruf erlernte und sein Nachfolger wurde. Auf einer Papiermühle aufwachsend, lernten die Söhne von Jugend auf das väterliche Handwerk kennen, machten dann die vierjährige Lehrzeit durch, welcher die damals jedem Handwerk vorgeschriebene zweijährige Wanderschaft folgte. Waren sie dann freigesprochen und sehnten sie sich nach eigenem Haushalte oder nach Selbständigkeit, so hätte vielleicht der eine oder andere Papiermacher seinem Sohne vom Landesfürsten ein Wasserregal, die Wassernutzung, verschaffen und ihm neben seiner eigenen eine zweite Papiermühle erbauen können. Aber die notwendigen Lumpen waren nicht zu beschaffen. Ein Papiermacher konnte nicht wie ein Tischler oder Schmied seinen Ausgangsstoff, die Lumpen, aus fernen Gegenden holen lassen, daran hinderte ihn der Lumpenbann. Der nach eigenem Besitz strebende Papiermachersohn mußte, wollte er dem Beruf seiner Väter treu bleiben, auf Wanderschaft gehen und versuchen, durch Dienstnahme, Pacht, Kauf oder Einheirat auf einer Papiermühle seßhaft zu werden. Darum zogen die Papiermacher durch das damals so staatenreiche deutsche Vaterland. Sie wanderten über die Landesgrenzen von einer Papiermühle zur andern. Oft vergingen Jahre, bis ein Papiermacher eine Mühle fand, auf der er sein Leben beschließen konnte. Erzwungenermaßen waren sie wanderlustige Leute, mal hier, mal dort in Arbeit stehend.
Die ersten in Deutschland nachweisbaren Papiermühlen sind aus Korn- oder Mahlmühlen entstanden. Alles, was früher an Bächen, Flüssen oder Teichen die Kraft des Wassers nutzte, wurde Mühle genannt, ob es nun eine Korn- oder eine
Öl-, eine Schlag- oder eine "Bappeiermill", eine Papiermühle, war. Durch die Größe der aus Stein erbauten Gebäude, durch die hohen, mit verstellbaren Luken versehenen Dachgeschosse, in denen die Papierbogen getrocknet wurden, waren die Papiermühlen schon von weit her zu erkennen. Auf ihnen schaffte der Papiermachermeister. Er war nicht immer Besitzer der Mühle.
Mancher Landesherr, viele der mit großen Vorrechten ausgestatteten Adelsgeschlechter, einzelne Städte und Universitäten besaßen eine Papiermühle, die sie dem kunsterfahrenen Papiermacher auf bestimmte Jahre verpachteten. Häufig entwickelte sich aus solch zeitlich begrenzter Pacht eine Erbleihe, die mehrere Generationen eines Geschlechtes auf ein und derselben Mühle innehatten. Neben den Papiermühlenbesitzern oder -pächtern finden sich vereinzelt auch Mühleneigentümer, die ohne eigene Fachkenntnis einen Papiermachermeister mit Gesellen und Lehrlingen in Dienst genommen hatten.
Nach einer Lehrzeit von vier Jahren und vierzehn Tagen wurde ein "Bappeier- Lehrbub" in feierlicher Weise von seinem Lehrherrn und Meister zum Gesellen erklärt. Er galt als zünftiger "Papierergesell", sobald er seinen "Lehrbraten", einen Abschiedsschmaus, gegeben hatte, der manchmal mehr als den Verdienst eines Arbeitsjahres verschlang. Die Kunst der Papiermacher war angesehen, sie nährte ihren Mann, aber der Barlohn der Gesellen und Lehrlinge war immer gering. Im Geldstrumpf oder in der Geldkatze waren mehr Kreuzer oder Stüber als Gulden und harte Taler.
Nach dem Lehrbraten schnürte der Papiermachergeselle sein Bündel und ging auf Wanderschaft. Aus den von ihm geschöpften, vom Lehrmeister für gut befundenen Papierbogen nahm er einige mit auf Wanderschaft, die seiner Hände Kunst unter Beweis stellten. Einen dieser Bogen, auf dem alle in Verruf geratenen Papiermacher verzeichnet sein mußten, bei denen er weder Einkehr halten noch Arbeit nehmen durfte, wies er als Gesellenbrief vor. Dieser öffnete ihm in allen Staaten die Türe jeder zünftigen Papiermühle.
Im Gegensatz zum übrigen deutschen Handwerk, das nach einer mehrjährigen Gesellenzeit die Meisterprüfung vorschrieb und ein Meisterstück forderte, kannten die Papiermacher diesen Abschluß der Gesellenzeit nicht. Das kam daher, daß die Papiermacher auch in den Blütezeiten der Zünfte keine eigene Zunft mit altüberkommenen Gebräuchen bildeten, sondern in einigen Gegenden Deutschlands zu den Mahlmüllern gerechnet wurden, sehr gegen ihren Willen, da sie sich über deren Handwerk erhaben und nicht zu Unrecht als Künstler fühlten.
In seinem Berufe stand einem Papiermachergesellen jede Stellung offen. Wie weit er es brachte, das hing allein von der Geschicklichkeit seiner Hände, vom richtigen Schöpfen des Papiers und vom Glück ab. Mancher wurde durch Heirat mit einer Papiermachertochter Besitzer oder Pächter einer Papiermühle. Es war in vergangenen Zeiten gern geübte Sitte, die Lebensgefährtin aus den Kreisen zu holen, mit denen man sich wirtschaftlich verbunden fühlte. Bei den Papiermachern waren solche Eheverbindungen sehr häufig. Sie alle verband der Stolz auf ihre "weiße Kunst" und ihre Sonderstellung als freie, oft privilegierte Leute unter den zunftgebundenen Handwerkern und Gewerbetreibenden ihrer Zeit.
Diesen Stolz der Papiermacher auf ihre Kunst schildert der Papiermachermeister Georg Christoph Keferstein (1723-1802) von der Papiermühle bei Cröllwitz, nahe Halle an der Saale, anschaulich in seinem 1766 erschienenen Buche: "Unterricht eines Papiermachers an seine Söhne, diese Kunst betreffend."
Keferstein vergleicht die Papiermühlen mit kleinen Republiken und sagt : "Ihre Dirigirung kömmt mit jenen publicken Verfassungen, wenn mir dieß mit Großen zu vergleichen erlaubt ist, ziemlich überein. Wir sehen täglich, daß große Herrschaften, so wie der Mond, bald ab oder zunehmen und so gehet es auch in unserem Zirkel. Bloß eine Tagelöhnerseele sagt, wer viel lernet, muß viel thun. Es ist Euch keine Schande, wenn Ihr die Mutter aller Künste, ich meyne den Ackerbau und Viehzucht, Euch wohl bekannt macht, wenn Ihr selbst die Hand an den Pflug legt und das Säetuch umnehmet. Es ist nicht zu verantworten, wenn man der Vorsehung Schuld giebt, daß dieselbe kaum alle hundert Jahr ein großes Genie hervorbrächte. Nein, lieben Kinder! Es ist bloß unserer Faulheit Schuld, wenn wir nichts lernen. Ich will Euch garnicht zu Newtons oder Leibnitzen machen, werdet nur ehrliche und brauchbare Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Und wenn Ihr tausend Dinge gründlich wißt, so werdet Ihr doch am Ende sagen müssen: Wenige wissen, wie viel man wissen muß, um zu wissen, wie wenig man weiß. Sehet, so eingeschränkt ist der menschliche Verstand! Eine Papiermühle, lieben Kinder, ist nicht anders zu betrachten als ein Arbeitshaus, in dem der Wrack von alten Waren, dessen sich fast alle Menschen schon längst zur Genüge bedienet, zusammen fließt, um aus diesem Chaos gleichsam eine neue Schöpfung zu machen.
Was für Ehre für unsere Kunstverwandten, was für Nutzen für das menschliche Geschlecht überhaupt, entsteht nicht hieraus! Dinge, die jedermann wegwirft, Sachen, so bey eklen Leuten einen Abscheu verursachen, mit einem Wort: schmutzige Lumpen werden von uns zu schönem Papier gemacht. Wenn dieses nicht Kunst heißet, so weiß ich keine zu nennen. Ich weiß wohl, daß es noch tausend Künste in der Welt giebt, welche eine jede in ihrer Art so hoch als werth zu schätzen ist. Aber wenn ich unsere Kunst dagegen halte, so ist diese in gewissem Verstande die Mutter von jenen. Man nehme der Welt das Papier, mithin auch alle vorhandenen Bücher, mein Gott, wie wird es da aussehen?"
Über die Berufstracht der Papiermacher wissen wir nur wenig. Aus dem 17. Jahrhundert ist sie uns auf einem Trinkglase überliefert, das im Heimatmuseum zu Kottbus bewahrt wird. Der Papiermachergeselle Peter Vetter verehrte, wie die Inschrift sagt, dieses Glas der löblichen Papiermacherkunst zu Kottbus im Jahre 1657. Schöpfer, Gautscher und Leger sind in ihrer Tätigkeit abgebildet, während die Rückseite die Ankündigung enthält: " Wer dieses glas zubricht, der soll sein bericht, ein ander glas, gleich wie das, wohl machen lann, dafür hütte sich jeder mann, und der neben eine tonne bier zur straffe geben."
Im allgemeinen kleideten sich die weit in der Welt herumkommenden Papiermacher nach der Bevölkerung, unter der sie lebten. Bei der Arbeit in der Werkstube wurde oft eine aus einem Papierbogen geformte Mütze getragen. Gegen die Nässe schützte das Lederschurzfell, das später durch eine meist grüne Leinenschürze ersetzt wurde.
Zu jeder Papiermühle gehörten ein landwirtschaftlich genutzter Grundbesitz und eigenes Fuhrwerk. Nach getaner Arbeit versammelte sich zu den Mahlzeiten am Tisch der Meisterin oft eine große, von dem Betrieb einer Papiermühle abhängende Zahl Personen. Zu den Kindern und Dienstboten kamen der Altgeselle, die Gesellen, die Lehrlinge, die Knechte, die Fuhrleute, die Lumpensortiererinnen und die Mädchen.
In kurzen Zügen sei auf die Herstellung des handgeschöpften Büttenpapieres eingegangen, welche durch den technischen Fortschritt überholt worden und nur noch vereinzelt in Deutschland zu finden ist.
Mit Schellengeläute, Rufen, Aussingen oder Pfeifen auf einer Blechflöte, wie es noch heute in den Straßen der Städte zu hören ist, sammelten die Lumpensammler die Lumpen und brachten sie zur Papiermühle. Dort sortierte sie eine Schar Mädchen nach Stoffart und Verunreinigung in verschiedene Vorratskästen. Da von dieser Sortierung die Güte und Reinheit des Papieres abhing, wurde sie mit großer Sorgfalt vorgenommen und scharf überwacht. Aus den Kästen nahmen die Gesellen die Lumpen, zerschnitten sie und reinigten sie unter Zusatz von Kalk in heißem Wasser. Nach dieser immer unvollkommenen Reinigung kamen die Lumpen in das "Geschirr", in ein Mahl- und Stampfwerk, von dem man drei verschiedene, nach ihrer Herkunft benannte Arten kannte. Das "teutsche" Geschirr schildert uns Julius Bernhard von Rohr in seinen "Merckwürdigkeiten des Vor- oder Unter-Hartzes" vom Jahre 1736. Es bestand aus vier Stampfern, Holzhämmern, die, mit flachem Kopf versehen, in einem Steintrog auf eine eiserne Bodenplatte klopften. Das "französische" Geschirr unterschied sich von dem "teutschen" dadurch, daß die Stampfhämmer mit verstählten Nägeln mit spitzen Köpfen versehen waren, die beim Aufschlagen auf die eiserne Bodenplatte die Lumpen schneller zerfasern sollten. Aus Holland, dem Lande der klassischen Papiererzeugung, setzte sich das "Holländer" genannte Geschirr durch. Dieses bestand aus einer mit Messern versehenen Walze, die, vom Wasserrad angetrieben, sich in einem Troge drehte, dessen Boden gleichfalls mit Messern im "Grundwerk" versehen war. In diesem "Holländer" wurden die Lumpen zerschnitten, während das "Stampfwerk" dieselben zu einem Brei zerfaserte, den man im Gegensatz zu den "Halbzeug" genannten Lumpen als "Ganzzeug" bezeichnete. Ohne weitere Behandlung war in diesem "Ganzzeug" der Stoff vorhanden, aus dem die Papiermacher Papier zu fertigen wußten.
Technische Entwicklung hat die Arbeitsgeräte, in denen sich das Halbzeug zum Ganzzeug wandelte, zu Maschinen vervollkommnet. Von den alten Stampfwerken und Holländern sind uns weder Zeichnungen noch Abbildungen erhalten; sie haben nicht daran gedacht, das Innere ihrer Mühlen durch Zeichnungen oder Bilder festzuhalten.
Die nachfolgenden Photos wurden nach dem Weltkriege in einer Papiermühle aufgenommen, die in einem alten, in den Apenninen gelegenen Kloster eingebaut ist. Hier wird noch heute nach der Väter Brauch Papier von Hand geschöpft. Die Abbildung zeigt uns die Stampfwerke. Je drei (statt der in Deutschland früher üblichen vier) Stampfhämmer klopfen in einen Bottich. Sie werden durch "Nocken" genannte Erhöhungen der im Bilde unsichtbaren, an der rechten Wand liegenden Welle gehoben und fallen von selbst wieder nieder. Die Welle erhielt ihren Antrieb durch die Umdrehungen des Wasserrades. Aus dem Stampfwerk kam das Lumpengemengsel, jetzt Halbzeug oder Halbstoff genannt, in den Holländer, in dem es zerschnitten und zerfasert wurde. Der entstandene Papierbrei, nun Ganzzeug oder Ganzstoff genannt, wurde in die "Bütte", einen großen, heizbaren Steintrog gefüllt, aus dem der Bütt- oder Schöpfgeselle mit einer Form den Papierbogen schöpfte.
Die eigentliche "Kunst" des Papiermachens, der sich die früheren Papiermacher rühmten, bestand nun darin, daß der Schöpfgeselle mit Hilfe der Form, deren Drahtseite nach unten gehalten wurde, aus der Bütte immer dieselbe Menge Papierbrei (Ganzzeug) schöpfen mußte. Diesen verteilte er durch starkes Hin- und Herschütteln derart über die Form, daß er überall in gleicher Dicke auflag und sich ohne Erhebungen zu einer glatten Schicht verfilzte.
Ein Schöpfgeselle hatte keine Hilfsmittel, um die Dicke des von ihm geschöpften Bogens nachzuprüfen. Nur durch langjährige, von Jugend auf gewonnene Erfahrung und Geschicklichkeit erwarb er sich eine solche Handfertigkeit, daß ein Bogen dem anderen an Stärke gleichkam. Hier sehen wir den Schöpfgesellen, der aus der Bütte geschöpft hat und auf der Form den werdenden Papierbogen abtropfen läßt. Links hält ein zweiter Geselle die völlig gleiche Gegenform, von der er den Papierbogen auf ein auf dem "Gautschbrett" liegendes Filzstück abdrückt oder "gautscht", wie man diesen Vorgang und nach ihm den Gesellen den "Gautscher" nannte. Er schob die entleerte Form auf dem über der Bütte liegenden Brett dem Schöpfgesellen wieder zu, der aufs neue schöpfte.
Auf diesem Bild steht der Gautscher hinter dem gewölbten, mit Handgriffen versehenen Gautschbrett, auf das er die Papierbogen zwischen Filzstücken stapelt. War eine bestimmte, "Post" genannte Höhe erreicht, so schob er das Gautschbrett mit dem "Post" unter die Presse. Der schwere Preßblock wurde heruntergelassen und mittels eines Haspels und einer Stange mit großer Kraft auf die Papierbogen gedrückt, um das überflüssige Wasser zu entfernen.
Die nächste Abbildung zeigt die Zusammenarbeit der Papiermachergesellen. Der Büttgeselle hat eine Form geschöpft und läßt dieselbe abtropfen. Der Gautscher drückt einen Bogen aus der Form auf ein Filzstück, und links von der geöffneten Presse legt ein nach dieser Tätigkeit "Leger" genannter Geselle die vom Wasser befreiten Bogen ohne Filzstücke sorgsam aufeinander. Einen Stapel solcher Bogen nannte man einen "Weißpost", der nochmals zur weiteren Wasserentfernung unter die Presse kam.
In wechselseitiger Arbeit waren Papierbogen entstanden, die ohne chemische Umwandlung, ohne Kochen, Gärung und Zusatzmittel, allein durch Reinigen, Zermahlen und Schöpfen von Lumpenfasern mit einer Form aus der Bütte genommen waren. Ein dem Laien unverständlicher Vorgang, auf dem noch heute die mit größten Maschinen arbeitende Papiererzeugung beruht.
Die Papiermacher kannten keinen Stunden- oder Zeitlohn, die Menge der täglich von ihnen gefertigten Bogen bestimmte ihren Tagesverdienst. 181 Bogen, zwischen 182 Filzstücken liegend, nannte man einen "Naßpost" oder "Naßpauscht", aus dem nach Pressung und Entfernung des Wassers der "Trockenpost" oder "Weißpost" entstand. Nach deren täglich gefertigter Anzahl errechnete sich der Verdienst eines Tages: die Leistung allein erhöhte das Einkommen.
Aus der Werkstube kamen die Papierbogen auf den Trockenboden, wo sie auf aus Pferdehaaren geflochtenen Leinen, den "Haarstricken", im natürlichen Windzug trockneten. Diesen ließ man durch verstellbare Stabholzläden mehr oder minder stark über den Dachboden streichen. Das Austrocknen bedingte ein Wölben, ein Verziehen der Bogen. Um ihnen die gerade Fläche wiederzugeben, wurden sie erneut gepreßt und dann in die Leimküche gebracht, um sie durch Eintauchen in mit Alaun vermischtem Leimwasser mit der festen Oberfläche zu versehen, deren das Schreibpapier ebenso wie das Druckpapier bedurfte. Schreibpapiere mußten zur Erlangung der schreibfähigen Oberfläche wiederholt durch das Leimwasser gezogen werden. Radiert man heute einen der früheren Papierbogen, so findet man, daß das Leimwasser den Bogen nicht durchtränkte, sondern an der Oberfläche haften blieb.
Man kannte noch keinen künstlichen chemischen Leim oder Gummiarabikum und wußte auch noch nicht das Harz als Bindemittel zu verwerten. Aus tierischen Stoffen, aus den Füßen von Schafen, gewann man durch Auskochen ein leimhaltiges Wasser. Ebenso wie man vom Landesherrn das Aufkaufrecht für Lumpen, den Lumpenbann, erhielt, mußte man sich auch das Recht des Ankaufes von Tierfüßen erwerben. In einer abseits liegenden Hütte besorgte ein besonders erfahrener Lehrbube die unangenehm riechende, schwierige Leimkocherei. Er kochte die Tierfüße und schöpfte das so gewonnene Leimwasser in den Leimbottich. In diesen tauchte der Geselle die Bogen, die nach ihrer Trocknung wieder unter einer Presse geebnet wurden. Die letzte Bearbeitung oblag dem "Glätter" oder dem "Stampfer". Der Glätter strich jeden Papierbogen mit Hilfe eines Marmor- oder Achatsteines glatt. Der Stampfer verzichtete auf Handarbeit; er ließ einen links im Hintergrunde sichtbaren, vom Wasserrade angetriebenen Glätthammer auf den Bogen klopfen.
Vor der Glättung waren die geleimten Bogen von Frauen oder Mädchen nach geprüft worden, die alle fehlerhaften Papiere ausschieden. Nur die guten Bogen kamen in die Packkammer. Dort wurde das Schreibpapier zu 24 Bogen in einem "Buch" genannten Stapel zusammengelegt. 20 solcher Bücher Schreibpapier nannte man "1 Ries", das in einen "Riesumschlag" verpackt wurde, auf den Name, Beschaffenheit, Format des Papieres und der Name der Papiermühle aufgedruckt wurden. 10 Ries Schreibpapier wurden zu einem Ballen zusammengepackt. Beim Druckpapier war die Packung dieselbe, nur kamen 25 Bogen auf ein "Stoß" genanntes Buch.
Mit dem Rauschen des Wasserrades, dem Rollen der Antriebswelle, dem Pochen der Stampfhämmer einte sich das Klopfen der Glätthämmer zu einer Symphonie froher Arbeit, die jede Papiermühle erfüllte.
Lumpenmangel, Feierschichten im Winter und im Sommer machten es den Papiermachern jener Zeiten selten möglich, auf Lager zu arbeiten und Vorräte zu halten. Immer warteten die Verbraucher ungeduldig auf das Papier. Schnell war ein Ballen Druckpapier verbraucht, und in kurzer Zeit konnte ein Papierhändler viele Ries Schreibpapier verkaufen. In den Städten, an Hohen Schulen oder Universitäten war der Verbrauch größer als in Dörfern und auf dem Lande. Sehr verschieden muß daher die Zeit eingeschätzt werden, in der ein Bogen vom Hersteller zum Verbraucher gelangte. Aus den erhaltenen Papieren vergangener Zeiten ist es fast unmöglich, das genaue Herstellungsjahr eines bestimmten Bogens festzulegen, wenn derselbe unbeschrieben ist. Selten erscheint eine Jahreszahl im Wasserzeichen. Ist aber bei der Beschriftung eines Bogens die Jahreszahl angegeben, so läßt sich daraus nur schließen, daß der Bogen vor oder in dem angegebenen Jahre geschöpft sein muß.
Nicht jeder Papiermacher scheint Wert darauf gelegt zu haben, nur einwandfrei gute Ware zum Verkauf zu bringen. In einem 1724 von dem "Fürstlich-Sächsischen Geheimen Rat und Amtmann Dr. Georg Paul Hönn in Coburg" herausgegebenen "Betrugs-Lexikon" ist über die Papiermacher ein Abschnitt enthalten.
Sehr alt ist der Brauch, Papier durch besondere Papiermacherzeichen, die "Wasserzeichen", kenntlich zu machen. Aus Italien kamen die Wasserzeichen nach Deutschland. Das älteste dieser Zeichen, ein griechisches Kreuz, an den Enden und in der Mitte durch einen Kreis verziert, fand sich in Papieren der Mühle bei Fabriano, nahe Ancona, aus dem Jahre 1282.
In mühevoller Lebensarbeit hat der aus Frankreich stammende Genfer Charles Moise Briquetin seinem vierbändigen Werk "Les Filigranes" über 16000 Wasserzeichen aus den ersten Entstehungsjahren bis zum Jahre 1600 zusammengetragen. Eine Fortführung seiner Arbeit bis zur Gegenwart gibt es nicht. Die ersten Wasserzeichen sind einfache Figuren, Striche, Kreise oder Buchstaben; dann kamen Tierbilder, Namenszüge, Wappen und Hauszeichen hinzu, wie sie uns in großer Mannigfaltigkeit erhalten sind. All diese sehr verschiedenen Wasserzeichen wurden aus dünnem Kupferdraht mit der Hand gebogen und auf den Drähten der Schöpfform "aufgenäht", befestigt, später aufgelötet. Das Wasserzeichen lag auf den Drähten der Form, so daß sich dort das Ganzzeug, der Papierbrei, nur in geringer Dichte ablagern konnte. Dadurch wurde das Papier an diesen Stellen dünner: es zeigt, wenn man es gegen das Licht hält, in hellen Linien und Umrissen das "Wasserzeichen". Beim Schöpfen wurden, wie das Bild vom Schöpfgeselle und Gautscher erkennen läßt, immer zwei Schöpfformen, die Form und die Gegenform, gebraucht. Beide trugen dasselbe Wasserzeichen. Da die mit der Hand gebogenen Buchstaben oder Figuren nicht immer gleich ausfielen, zuweilen auch verkehrt von den von Mühle zu Mühle reisenden Formmachern aufgenäht wurden, so läßt sich manchmal noch erkennen, welcher Bogen aus der Form und welcher aus der Gegenform entstanden ist. Ursprünglich als eigenes Wasserzeichen gedacht, wurden schon in frühen Zeiten diejenigen Zeichen, die ein besonders gutes und daher hochbezahltes Papier kennzeichneten, nachgemacht. Dadurch wandelten sich die Wasserzeichen vom Herkunftszeichen zum Gütezeichen. In den Papieren vieler deutscher Mühlen findet sich die "Hollandia" als Gütezeichen zu dem Namenszug oder dem Hauszeichen des herstellenden Papiermachers. Sie war Herkunftszeichen holländischer Papiere, die wegen ihrer Güte und Weiße berühmt waren, und zeigt eine sitzende Frau, die das Land Holland versinnbildlicht. In der einen Hand hält sie das Zeichen des Gerichts, den Hut auf der Stange. Da man früher Gericht "hegte", das heißt, in einem abgegrenzten Raum Recht sprach, ist die Hollandia von einer Hecke, einem Gehege mit Tor, umgeben. Der Frauenfigur gegenüber steht der nassauisch-oranische Löwe, der in seiner Tatze sieben Pfeile (Sinnbilder der sieben vereinigten holländischen Provinzen) hält. Über dem Zeichen stehen die Worte "Pro Patria", die diesen vorzüglichen Schreibpapieren die Bezeichnung "Propatriapapiere" einbrachten. Nicht weniger häufig ist der Baselstab oder der Fichtenbaum als Gütezeichen zu finden. Der Fichtenbaum war ursprünglich das Herkunftszeichen der im Bayrischen Wald liegenden Papiermühlen. Der Baselstab, das obere Ende eines Bischofstabes, ist dem Wappen der Stadt Basel entnommen, er weist auf die in und um Basel entstandenen Papiere hin.
Die Zahl der Wasserzeichen von ihrem ersten Aufkommen bis zur Gegenwart ist nicht mehr zu erfassen. Es ist in den seltensten Fällen möglich, aus den Wasserzeichen den Papiermacher zu erkennen, wenn nicht dessen Anfangsbuchstaben im Gegenbogen enthalten sind oder der Benutzungs- oder Fundort des Papieres in Beziehung zu einer bestimmten Papiermühle gebracht werden kann. Da die Wasserzeichen nur Herkunfts- und Gütezeichen waren, nicht aber unseren heutigen Fabrikmarken entsprachen, so lässt sich ohne näheren Zusatz die Herstellende Papiermühle nicht erkennen.
Außer Pack-, Fließ- und Pappenpapieren unterscheiden wir bei den einst aus der Bütte geschöpften Bogen zwei Hauptgruppen: Druck- und Schreibpapiere. Druckpapiere machte man gern im Winter, man ließ sie frieren und erreichte dadurch eine Auflockerung und größere Weiße der Bogen. Am liebsten hätte jeder Papiermacher nur bestes Schreibpapier aus reinen Leinenlumpen gemacht, da er dafür die höchsten Preise erzielte. Da aber alle vorhandenen Lumpen verbraucht werden mußten, so entstanden aus der Bütte die verschiedensten Papierarten, die in vielen Sorten, Größen und Qualitäten unter den mannigfachsten Bezeichnungen in den Handel kamen. Es ist überaus schwer, alte Papiere nach den früheren Benennungen einzuordnen, da die Anforderungen der Verbraucher ständig wechselten. In England, Holland, in der Schweiz und in Bayern wurden hohe Ansprüche an ein gutes, weißes Schreibpapier gestellt. In Nordwestfalen ergaben die reichlich abfallenden Bielefelder Leinenreste eine Menge saubersten Papieres, während die in Ostpreußen geschöpften Schreibpapiere in ihrem Aussehen kaum den in Sachsen, Hessen oder Nassau als minderwertig geltenden Papieren gleichkamen.
Je nach dem Verwendungszweck wurden Papiere von den Händlern unter vielerlei Benennungen verkauft. Post-, Relations-, Kanzlei-, Noten- oder Königspapiere unterschieden sich oft nur durch den Namen, aber nicht durch die Qualität. Auf manchen deutschen Papiermühlen wurden ausländische Papiere nachgeahmt und deren Wasserzeichen verwendet. Als Median-, Royal-, Super-Royal- oder Imperialpapiere wurden sie von den Papierhändlern angeboten. Nur schwer ist es heute noch möglich, von einem unbeschriebenen alten Papierbogen zu sagen, unter welchem Namen er von der Papiermühle versandt und wie er verkauft wurde. Bei den guten, weißen Schreibpapieren sind die Unterschiede oft nur sehr gering.
Die Napoleonische Zeit brachte den handschöpfenden Papiermachern durch die Kontinentalsperre und durch die von ihr bewirkte Absperrung allen ausländischen Wettbewerbes noch einmal eine kurze Blüte. Nach den Freiheitskriegen, denen Jahre schwerster Not mit Mißernten und Teuerungen folgten, suchte technischer, zur Massenpapiererzeugung drängender Fortschritt drei Probleme zu lösen:
1. Ersatz der Lumpen als Ausgangsstoff,
2. Ersatz der Bütte durch die Papiermaschine,
3. Ersatz der tierischen Oberflächenleimung durch technische Leimung im Papierbrei.
Die Lösung des Rohstoffproblems über den Holzschliff zum Zellstoff wurde vorstehend geschildert. Mit der Papiermaschine befaßten sich viele Erfinder, seitdem Louis Robert 1799 in Frankreich ein Patent auf die erste Papiermaschine erhalten und der Mechaniker Calla aus Paris diese nach mehrfachen Verbesserungen 1814/1815 vorgeführt und erprobt hatte. Von 1816 an stellte der Papierfabrikant Adolph Keferstein in Weida, Sachsen-Weimar, eine von ihm selbst entworfene Papiermaschine auf. 1819 wurde die erste englische Maschine von dem Engländer Corty in der Patentpapierfabrik in Berlin mit staatlicher Unterstützung aufgestellt und diesem Werke das alleinige Herstellungsrecht von Maschinenpapieren in Preußen für fünfzehn Jahre verliehen. Diese englische Papiermaschine, die die Erfindung Roberts vervollkommnet hatte, war eine Langsiebmaschine, wie man sie heute überall in der Papierindustrie vorfindet. Seltener wird die Rundsiebmaschine gebraucht, die im Jahre 1805 von dem Engländer Bramah erfunden und von dem deutschen Papiermacher Keferstein verbessert wurde. Beide Maschinenarten führen sämtliche Arbeitsvorgänge der handschöpfenden Papiermacher mechanisch aus. Von den Stoffbütten gelangt das Ganzzeug auf das Lang- oder Rundsieb, das entweder der Drahtform der früheren gerippten Papiere oder der aus feinsten Drähten gewebten Siebform entspricht, von denen die letztere die handschöpfenden Papiermacher von etwa 1760 an zur Herstellung von "Velinpapieren", den rippenlosen Bogen, benutzten. Wegen ihrer glatten Schreibfläche waren die Velinpapiere, ihren Namen vom lateinischen "vellum" = Pergament tragend, schnell beliebt geworden.
Bei den Papiermaschinen kommt der Papierbrei, das Ganzzeug stark verdünnt, von der Stoffbütte auf ein endloses Sieb-Band, auf dem durch ständige Schüttelung die gleichmäßige Verfilzung der Fasern erreicht wird (Blattbildung). Saugkästen bewirken währenddessen die Entwässerung; dann wird die Papierbahn vom Sieb gegautscht und läuft dann auf einem endlosen Filz durch die Pressen, hinter denen durch geheizte Trockenzylinder die Trocknung beendet wird. Die Glättung des Papiers besorgt der "Kalander", eine aus mehreren aus Stahl und gepreßtem Papier, teils beweglichen, teils feststehenden Walzen bestehende Mangelmaschine.
Heute sind riesige Papiermaschinen mit immer neuen Rekord-Geschwindigkeiten für Massenerzeugnisse, wie z. B. Zeitungsdruckpapier im Einsaz.
Diese Massenerzeugung wäre nicht möglich gewesen, wenn die technische Leimung in der Papiermasse nicht erfunden worden wäre. Als die ersten Papiermaschinen zu arbeiten begannen, mußte man das von ihnen gemachte Papier noch in Bogen zerschneiden und diese in den Leimbottich tauchen. Man konnte den tierischen Leim noch nicht dem Ganzzeug zusetzen, da er Stoffbottich und Maschine verklebt hätte. Leim war aber nicht zu entbehren, da er die Poren des Papieres verstopfte und es dadurch erst gebrauchsfähig machte. Vergleicht man ein Löschblatt mit irgendwelchem anderen Papier, so sieht man sofort die Bedeutung des Leimes im Papier: Löschpapier ist ungeleimt. Von 1799 an befaßte sich der Uhrmacher und Mechanikus Moritz Friedrich Illig mit dem Problem, den Leim durch ein Mittel zu ersetzen, das nicht zu kleben brauchte, aber die Poren des Papieres ausfüllen mußte. 1805 erfand er die vegetabilische Harzleimung des Papieres im Ganzzeug. Wachs und Harz verseifte er mit Kali zu einer Bindemasse, die unter Zusatz von Alaun dem Papierbrei im Stoffbottich beigemischt wurde. Lange Jahre kämpfte Illig vergebens um den Erfolg seiner Erfindung, die sich erst nach seinem Tode durchsetzte.
Die Papiermaschine mit der Leimung in der Masse, mit Holzschliff und Zellstoff als Ausgangsmaterial beseitigte die handschöpfende Papiermacherei der Väter. Die alten Papiermühlen schlossen ihre Tore. Manche Mühle zerfiel, manche wurde zu einer Sägemühle umgebaut.
Verschwunden sind die kunsterfahrenen, ehrsamen Papierer, deren Handwerk: "PAPIER ZU MACHEN IST AIN KUNST MIT GUNST !" im technischen Zeitalter von Maschinen übernommen wurde und zur heutigen, aus dem Wirtschaftsleben nicht mehr fortzudenkenden gewaltigen Papierindustrie führte.
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