Über die erste Papiermaschine und ihre Erfindung
Den Ausführungen von Herrn Walter Sembritzki in "Papierfabrikant" 1931, Heft 39, kann man nur beipflichten; es ist leider in den Nachrichten über die Geschichte der ersten Papiermaschinen in Deutschland mancher Widerspruch, sowohl über die Jahre der Aufstellung und Inbetriebsetzung der Maschinen, als auch in den Einzelheiten ihrer Konstruktion.
Von Adolf Keferstein in Weida liegt uns nun glücklicherweise sein eigener Bericht über die Erfindungsgeschichte seiner Maschine und über ihre Bauart vor. Da seine Angaben vor über 50 Jahren zuletzt im Wortlaut wiedergegeben wurden und das betreffende Buch selten geworden und in seinen meisten Exemplaren in den Kollergang gewandert sein dürfte, möchte ich Kefersteins Aufruf hier noch einmal bringen.
In der Berliner Allgemeinen Handelszeitung schrieb
Adolf Keferstein im Jahre 1820:
>> Seit vielen Jahren beschäftigte mich die Idee, eine Maschine zu erfinden, die Papier von jeder beliebigen Länge hervorbrächte, denn die ermüdende und angreifende Art, besonders große Papiere auf die bisher übliche Weise zu schöpfen, schien mir nicht die vorteilhafteste und zweckmäßigste zu sein, Tag und Nacht dachte ich über diesen Gegenstand nach und zu Anfang des Jahres 1816 war ich darin so
weit vorgeschritten, daß ich drei Zeichnungen von den dazu nöthigen Maschinerien anzufertigen im Stande war. Die erste stellte die Räder und Walzen und Grund- und Aufriß genau dar, die zweite zeigte denselben Gegenstand, aber zugleich mit MetalIröhren versehen, welche heiße Dämpfe in die Walzen führen, um solche dadurch so zu erwärmen, daß das von der Maschine zu Bogen geformte Papier sogleich dadurch fest und trocken gemacht werden kann; die dritte Zeichnung stellte eine Maschine vor, welche das Papier,
welches die Maschine eben verfertigt hat, in alle beliebige Formate theilt, solches genau aufeinander legt, beschneidet und zählt.
Nie bin ich in Frankreich oder in England gewesen, und in Deutschland waren bisher noch keine solche Maschinen vorhanden. Durch sorgfältiges alleiniges Nachdenken habe ich ohne alle fremde Beihülfe nach den von mir gemachten Zeichnungen diese ganz neue Maschinerie größtenrheils in meiner Papierfabrik angebracht und ihren Betrieb mit den schon vorhandenen gewöhnlichen Maschinerien durch ein einziges Wasserrad in Verbindung gebracht.
Im Frühjahr 1816 reiste ich mit den von mir gemachten Zeichnungen dieser Maschine nach Weimar, um solche Sr. königl. Hoheit dem Herrn Großherzog vorzulegen und um Unterstützung zur Ausführung derselben nachzusuchen. Da aber Se. königl. Hoheit verreist waren, so übergab ich solche nebst einer Vorstellung dem Herrn Minister von Vogt zur Ueberreichung an meinen Landesherrn. Als darauf Se. königl. Hoheit im Herbst desselben Jahre Weida
und die Umgebung bereisten, hatte ich das Glück, Allerhöchst demselben zwei Modelle vorzulegen, wovon das erste eine Brücke von Sprengwerk ohne Joche, nach einer von mir erfundenen Construction, und das zweite einen sicheren Wasserrechen zum Aufhalten der Floßscheite genau vorstellte, welche so gnädig aufgenommen wurden, daß ich 10 Ducaten als Belohnung erhielt. Da mir aber weiter keine Unterstützung zur Ausführung der Papiermaschine zu Theil wurde und meine Vermögensumstände sehr beschränkt sind, indem ich durch den langjährigen Krieg und die Stockung des Handels sehr viel verloren habe,
so konnte ich, um meine Idee realisiert zu sehen, die dazu erforderlichen Maschinen und besonders die Walzen zum Pressen der langen Papierbogen,
statt von Metall, bloß von Holz verfertigen, und sie daher nicht mit heißen Dämpfen so erwärmen, daß die darüber gehenden Papierbogen dadurch getrocknet wurden. Indes verfertigte ich bereits im April 1819 auf meiner neuen Maschine Papier von 60 Ellen Länge, und übergab unter dem 26. April desselben Jahres Sr. königl. Hoheit in Weimar die ersten Proben davon, erhielt darauf unter dem 21. März n. J. von der hochlöbl. Großherzogl. Landesdirection zur Resolution, daß ich auf eine Unterstützung für meine Tapeten- und Landkarten Papierfabrikation nicht rechnen könnte.
Die von mir angefertigten Zeichnungen der dazu nöthigen Maschinen wurden mir aber nach fast vier Jahren zurückgeschickt.
Da ich nun nicht die nötigen Kosten aufbringen kann, um die Walzen und Cylinder von Metall, sowie die zur Leitung der Dämpfe nöthigen Röhren von gleicher Masse anzuschaffen, die hölzernen Walzen sich aber nach jedesmaligem Gebrauche wegen der Nässe, die sie umgeben hat, verziehen, so kann ich meine Erfindung nicht im Großen betreiben, bin aber bereit, solche gegen eine billige Entschädigung demjenigen mitzutheilen und genaue Zeichnungen davon zu übergeben, auch bei ihrer Einrichtung und Anwendung gegenwärtig zu sein, der sich deshalb an mich wendet.
Proben von dem von mir gefertigten langen Maschinenpapier habe ich unter dem 11. Mai 1819 dem Herrn Superintendenten Geithner hierselbst übergeben, welcher solche zum Andenken der von mir gemachten Erfindung in der Kirchenbibliothek aufbewahrt hat.
Meine Maschine und deren Apparat besteht aus zwei Fässern, in welchen die Papiermasse, welche auf die gewöhnliche Art zubereitet worden ist, erwärmt und mit Wasser durchgerührt wird. Aus einem dieser Fässer fließt die Masse in eine breite bewegliche Rinne nach dem Formrade oder Papierschöpfer, auf diesem wird sie zum Papierbogen gebildet, und theilt sich solcher einem mit Tuch beschlagenen großen Cylinder mit. Dieser, indem er den Bogen von dem Formrade abnimmt, preßt ihn auf darunter befindliche kleine Walzen, und führt ihn einer Rolle oder einer Haspel zu, welcher ihn um sich aufnimmt.
Papiermühle bei Weida, den 29. Juli 1820 Adolf Keferstein. <<
Es handelt sich demnach ganz augenscheinlich um eine Rundsiebmaschine wie sie ähnlich dem Engländer Joseph Bramah schon 1805 in England patentiert wurde. Kefersteins Maschine war also 1816 schon durchkonstruiert, kam aber erst im Frühjahr 1819 in Betrieb, und zwar ohne Trockenzylinder. Ob Keferstein später die Mittel aufbrachte, solche aus Blech anfertigen zu lassen, das wissen wir nicht. Jedenfalls hat er als erster die Idee dampfgeheizter "Walzen" veröffentlicht, und da dies in einer Berliner Zeitung geschah, ist es sicher, daß Corty, der englische Leiter der Berliner Patentpapierfabrik,
das Blatt las; es besteht daher durchaus die Möglichkeit, daß er die Anregung nach England weitergab und daß daraufhin dann der Trockenzylinder im gleichen Jahr von Thomas Crompton in England zum Patent angemeldet wurde. Entscheiden ließe sich diese Frage möglicherweise, wenn Tag und Datum der Anmeldung in England noch feststellbar ist. Vielleicht haben wir aber auch hier wieder, wie so oft, die Duplizität der Ereignisse.
Bernhard Dropisch, welcher in seinem 1878 erschienenen Buch "Die Papiermaschine, ihre geschichtliche Entwicklung und Construktion" Kefersteins Aufruf wiedergibt, schreibt dazu, daß Keferstein die Zeichnungen seiner Maschine für 100 Thaler Gold nach Wien verkaufte - also nicht die Maschine selbst, wie man gelegentlich angegeben findet. Dropisch schreibt:
>> Keferstein's Papiererzeugungsmaschine wurde beim Brande seiner Papiermühle im Jahre 1851 ein Raub der Flammen, nachdem sein jetzt noch lebender Sohn Hermann, in früherer Zeit ein sehr geschickter Papierformenmacher, kurz vorher die Maschine nach langem Stillstande wieder in Gang gebracht und darauf Papier gemacht hatte, aber eben deshalb, weil verschiedene Theile daran noch aus Holz gemacht waren welche sich leicht schief zogen, nicht lange gegangen ist. <<
Das war das Ende dieser ersten von einem Deutschen gebauten Papiermaschine. Daß ihre Teile aus Holz gefertigt waren, ist selbstverständlich, denn die ganze Einrichtung der alten Papiermühlen war ja Holzarbeit des Mühlenbaumeisters. Wir haben auch später noch eine ganze Reihe solcher hölzerner Papiermaschinen in Deutschland gehabt, welche teilweise lange Jahrzehnte zur Zufriedenheit ihrer anspruchslosen Besitzer arbeiteten. Der moderne Fabrikant wird sich allerdings nur schwer vorstellen können, daß man die Maschine nach jedesmaligem
Gebrauch erst einmal wieder sorgfältig trocknen mußte, damit die Walzen sich wieder gerade zogen.
Von Adolf Keferstein haben wir noch einige wenige weitere Nachrichten. Schon früher beschäftigte er sich mit technischen Problemen und brachte mit 27 Jahren im Februar 1801 in den Magdeburg-Halberstädtischen Blättern die Beschreibung einer von ihm erfundenen "Preßmaschine" um "Papiere und Zeuge damit zu pressen", später eine Schrift über eine Tuchschermaschine, die von einem Hunde angetrieben wurde. Besonders interessant
aber ist der genaue Plan für den Einbau einer Papiermaschine in eine alte Papiermühle, den er für Herrn C.F.A. Günther in Greiz zeichnete und der in der hübschen kleinen Festschrift dieser Fabrik 1908 zum Abdruck kam. Der Plan ist undatiert, zeigt aber an der Maschine schon den Planknotenfänger, Saugkasten und Sandfang, Erfindungen der 1830er Jahre, darunter der Sandfang 1838 in England patentiert. In der Nachbarschaft erhielten Penig 1837, Cröllwitz 1840 und Blankenburg 1841 je eine englische Donkinmaschine.
Ich nehme daher an, daß Adolf Keferstein den Entwurf für Greiz zeichnete, nachdem er bei seiner Schwägerin bzw. seinen Neffen in Cröllwitz die Maschine gesehen, d.h. nach 1840.
Unentschieden ist leider die Frage, ob in Berlin oder in Weida die Papiermaschine früher in Betrieb kam. Keferstein machte das erste Papier im Frühjahr 1819, aber von der Berliner Patentpapierfabrik wissen wir nur das Datum der Baukonzession vom 23. März 1818. Wir wissen nicht wie lange es dann dauerte bis die Maschine auf dem Wasserwege
die EIbe herauf eintraf und wann die Errichtung der Gebäude und die Aufstellung der Maschine in der Mühlenstraße Nr. 75 am Strahlauer Tor beendet war.
Nach den Angaben im Festheft des Papierfabrikant 1913 geschah das noch im Jahre 1818, jedoch brachte die Allgemeine Preußische Staatszeitung erst im Juni 1820 einen ausführlichen Bericht, der auch auf Papier dieser Maschine gedruckt war. Die späteren Schicksale dieser leistungsfähigen Berliner Maschine sind ebenfalls interessant, denn sie existierte angeblich noch im Anfange unseres Jahrhunderts, und zwar in zwei Exemplaren! Professor Ernst Kirchner schrieb im Festheft des Wochenblatts 1910, sie sei 1846 nach Ermsleben verkauft und arbeite dort noch, während nach den Angaben
im Festheft des Papierfabrikant 1913 - wo auch eine genaue Zeichnung wiedergegeben ist - sie 1877 an die Berliner Papierfabrik Kraft & Knust verkauft wurde und dort noch arbeitete. Herrn Ludwig Kayser in Ullersdorf im Isergebirge verdanke ich die vor kurzem im hohen Alter von 88 Jahren sauber selbst auf der Maschine geschriebene Mitteilung, daß er in den Jahren 1862 bis 1866 in der Berliner
Patentpapierfabrik bestimmt noch mit der alten Maschine gearbeitet hat, die dann nach 1870, als er nicht mehr in Berlin war, zum Verkauf gekommen sei. So ist diese Frage noch geklärt und die Ermslebener Maschine muß wohl anderer Herkunft sein. Die alte Berliner Maschine aber hat an die hundert Jahre ihre Pflicht getan.
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